Der Lehrer Jahnke Geschichte und Geschichten zum Teil Befragungen von Zeitzeugen
Am Viehmarkt Wünsche erfüllen
Noch um die Jahrhundertwende waren an Gebäuden des Angers Eisenstangen ange- bracht, Ringe eingemauert, an denen man Pferde und Rinder zur Zeit des Viehmarktes festband. Prignitzer, die um 1930 zum Viehmarkt eilten, konnten dort die verschie- densten Kaufwünsche erfüllen. Da gab es ja gleich an der Ecke das Angebot von Hans Rissmann. Was war das für ein Ereignis, wenn endlich die Sparsumme zusammen war, und nun bei Rissmann das Fahrrad gekauft werden konnte. Doch welches, Panther, Tri- umph, Torpedo oder Adler? Kunden, die sich für „Sprech-Apparate" interessierten, befanden sich hier in bester Obhut. Besonders in der Winterszeit sah man manchen Putlitzer zum Meister eilen. Sie legten dann die verschiedensten Schneidgeräte auf den Tisch und waren sich gewiß, daß in der Schleiferei des Hauses die gewünschte Schärfe erreicht wurde. So konnte man der Hausschlachtung beruhigt entgegensehen. Der Schlossermeister wußte, daß er sich mit seinem Offerieren von Zentrifugen, Näh- maschinen und Radiogeräten im Wettstreit mit anderen Anbietern befand. Ein Verkaufsprodukt ragte schon heraus, und dafür interessierten sich vor allem die Herren: die schicken Motorräder.
„Backfisch-" und Kindermode
Manch einer hatte wichtigere Ereignisse vorzubereiten. Da gab es die Brauteltern und die glücklich Verliebten. Sie sind in das Putzgeschäft von Erna Osten eingetreten. Hier konnte man das schöne Hochzeitskleid und natürlich den Brautkranz erwerben. Die Dienstleistung war aber noch umfangreicher. Es gab die neuesten „Backfisch"- und Kindermodelle. Auch bei ernsten Fällen des Lebens stand Erna Osten hilfreich zur Seite durch eine reiche Auswahl an Trauerhüten.
Kann man es den kleinen Buben und Mädchen verdenken, daß sie ihre Näschen am nächsten Schaufenster platt drückten, wo Kolonialwaren angeboten wurden.
Vorbei war schon jene Zeit, als die Schaufenster vom Dienstangebot des Sattlers und Tapezierer Wilhelm Jührs kündeten (siehe Foto). So ist denn einst auch mancher Land- wirt schwer bepackt bei Jührs eingekehrt, nicht mit einem Getreide oder Kartoffelsack, nein mit „Geschirr". Ach, nun erinnert sich manch Leser, vor mehr als 50 Jahren war es üblich, daß sie auch in Putlitz nicht nur Haushaltswarengeschäfte Tafelgeschirr zu Fest- lichkeiten ausgeliehen haben.
Fachmann für Sielen und Riemen
Aber hier ging es um Sielengeschirr und damit um Leder- und Riemenzeug. Für deren Reparatur war Sattlermeister Jührs der Fachmann. Selbstverständlich hat manchmal auch ein Fuhrmann vom Land für den guten Bekannten das Geschirr abgeholt. Ohne weitere Information konnte das kompliziert werden, denn sowohl Meister Jührs als auch der Sattlermeister Osten standen den Kunden am Viehmarkt zu Diensten. Sie wohnten fast auf Nachbarschaft.
Falls jemand unkundig war, bei dem Oberpostschaffner Redlin war jede Adresse zu erfahren. Als der Putlitzer 1928 auf eine 25j ährige Dienstzeit bei der Post zurückblicken konnte, geachtet von den Kollegen und der Bürgerschaft, wieviele Briefe und Pakete hatte er bereits an die Adressanten des Viehmarktes übermittelt. Dazu gehörten auch die Eigentümer der geräumigen Scheune und jenes großen Speichers, die heute noch zum Viehmarkt zählen. Auch von ihnen, dem geachteten Pferdehändler Bruno Krum- bein und dem Getreidehändler Otto Lange, gibt es manches zu berichten. Heute steht der Viehmarkt jahraus, jahrein beim Putlitzer Erntemarkt im Blick
Das Wirken von Baumeister Hans Kalbow
Heute noch gehört das schöne Eckgrundstück (Chausseestraße/Gartenstraße) zum Straßenbild von Putlitz. Es war einst Sitz der nicht nur in der Prignitz bekannten Bau- firma Hans Kalbow. Der geachtete Handwerksmeister konnte von seinem Wohnhaus auf den angrenzenden großen Bauhof blicken (heute Betriebsgelände der Firma Stolz). Jede Woche schwenkten Pferdefuhrwerke mit ihren schweren Lasten auf das weiträu- mige Gelände ein. Vor allem waren es die mit Baumstämmen aus den Prignitzer Fors- ten beladenen Fahrzeuge. Nicht nur in aller Herrgottsfrühe vernahm man dort jenes durchdringende Geräusch, das für eine schwerarbeitende Kreissäge typisch ist. Die Nachbarn und die jenseits des Schinderweges erholungsuchen- den Mitbürger haben das einst hautnah miterlebt. Ja, Karl Subert hat unzählige Stämme in die gewünschten Maße geschnitten. So formierten sich Bretter, Balken, Latten und Bohlen in hohen Sta- peln.
Das 1862 gegründete Unternehmen hatte einen großen Kundenkreis. Das waren ein- mal jene, die sich von Wilhelm Klörs so manches Baumaterial aushändigen ließen, aber auch jene, die als Bauherrn, ob Bauer, Geschäftsmann, Handwerker, Arbeiter, Bediens- teter, dem Putlitzer Meister vertrauten. Vergessen wir nicht die Kommunen. Für Kalbow war es z. B. eine große Freude, als in Helle am 30. November 1914 die von ihm nach den Plänen des Baurats Büttner erbaute Kirche eingeweiht wurde. Wie oft besprach der Firmenchef mit seinen bewährten Mitarbeitern Maurermeister Hermann Effland und Zimmermeister Karl Quade, die auch so manche Bauzeichnung zu Papier brachten, die nächsten Vorhaben.
Das Bauunternehmen Kalbow stellte für die West- und Ostprignitz und bis ins Meck- lenburgische hinein einen wichtigen Arbeitgeber dar.
In den 30er Jahren fanden hier bis zu 200 Beschäftigte Lohn und Brot.
Ein wichtiger Auftraggeber für den Putlitzer Baubetrieb war in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts der Industrielle Neuerburg, der das Gut Menthin und ebenfalls das Vor- werk Krumbeck erworben hat. Der damals in der Buchführung tätige Kurt Krüger erin- nerte sich daran, daß der Zigarettenfabrikant (Marke Güldenring) der Putlitzer Firma langfristige Bauaufträge übertrug, so daß z. B. 30 bis 40 Arbeitskräfte über einen langen Zeitraum allein in Menthin gebunden waren. Es gab viele Baustellen, u. a. in Budden- hagen und auf dem Gut Strigleben. Selbstverständlich ist so manches Bauvorhaben in Putlitz durch das Bauunternehmen Kalbow ausgeführt worden, u. a. das erste Haus Burghofer Feld. Vergessen wir nicht die beiden Doppelwohnhäuser in der heutigen Jahnstraße, einst für Betriebsangehörige errichtet. Doch ein Bauwerk im Zentrum von Putlitz ist unübersehbar, kündet seit 1911 von dem Handwerksmeister Hans Kalbow. Natürlich hat es den Maurermeister gefreut, als er mit seinen Entwürfen bzw. seinem Kostenvoranschlag den Aufsichtsrat des Putlitzer Bankvereins überzeugen konnte und den Zuspruch für den Bau des Bankgebäudes erhielt. Es ist schon nennenswert, daß die Bausumme genau 55 000 Mark betrug. Konnte sich Bauunternehmer Hans Kalbow ein besseres „Denkmal" setzen, ein unübersehbares Zeichen des Fleißes und Könnens der Putlitzer Bauschaffenden? Auf das noch höhere „Denkmal" (Kirchturm) der Putlitzer Handwerker einschließlich der Firma Kalbow ist bereits hingewiesen worden.
Der Maurermeister Hans Kalbow hat viel für seine Heimatstadt geleistet, auch als Kommunalpolitiker. Bis ins hohe Alter stand er der Bauwirtschaft zur Verfügung. Das Quartalsfest 1938 war für den geschätzten Bauunternehmer ein unergeßliches Datum. An diesem Tag lud der Firmeninhaber in die Gaststätte Stender ein. Er hat sich von seinen Mitarbeitern und Geschäftsfreund verabschiedet. Den Baubetrieb übernahm der Maurermeister Hermann Effland.
Auch in der Folgezeit wurde das Stadtbild durch Putlitzer Bauschaffende entscheidend mitgeprägt so zur DDR-Zeit durch den Baubetrieb ZBO (15. Juli 1962 gründet), der unter Leitung von Erich Kobow manch Projekt realisierte. Das Baugeschehen 1997 wird ebenfalls durch Putlitzer Betriebe begleitet, so wie es u. a. die neuen Häuserfassaden dieses Jahres in der Karl-Mai Straße demonstrieren, u. ein Ergebnis der ortsansässigen Baufirmen Axel Bäker und Karsten Nöthling.
Bürgermeister als Leiche in der Stepenitz
Blicken wir zunächst in das Jahrzehnt zurück, als der letzte große verheerende Stadt- brand (1791) geschah (1790 gab es 118 Häuser und 44 Scheunen). Zu den Zeitzeugen gehörten u. a. der Ackerbürger und Handelsmann Rodeberts sowie Bäckermeister Gan- zel, deren Ahnentafel bis 1608 bzw. 1620 zurückreichen und damit auch in die Periode des 30jährigen Krieges.
Bürgermeisterämter im 18. Jahrhundert
Der Bürger Ganzel trug im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts die Bürde des Bürgermeisteramtes. Als er am 13. Dezember 1797 verstarb, da übernahm das Amt der Apotheker Praetorius (Pretorius). In den folgenden zehn Jahren erscheint in den Akten sein Name. Ihm folgte Doerffling (Dörffling). Beide Bürgermeister hatten ihre Sorgen mit den Einquartierungen, der Stellung von Männern zu Schanzarbeiten und den nicht Enden wollenden Kontributionen an die Napoleonischen Truppen und den Lieferungen an die preußischen Heeresteile. Dies bezeugt z. B. die Anweisung vom 14. Februar 1809, bis zum 2. März an die deutschen Verbände in Havelberg „20 Scheffel, 2 Met- zen Roggen" abzugeben. Und als zu der Zeit die Stadt 1307 Taler Lageschulden drück- ten, da wurden Obligationen ausgeschrieben, u. a. für die Ratmänner Rodeberts und Schumacher (je 200 Taler) sowie Ganzel (100). Berichtet wird über einen Streit mit Superintendent Passow wegen Zahlung von Lagersteuern. In die Amtsperiode (ab 1816) von Bürgermeister Hermann Schumacher fällt z. B. der Orgelvertrag von 1817, der vor dem Freiherrlich zu Putlitzschen Gericht über Putlitz zwischen dem Magistrat und Stadtverordneten einerseits und dem Patron und der Kirchengemeinde anderer- seits abgeschlossen wurde und der wie dargelegt 1929 und 1930 viel Staub aufwirbeln sollte. Wann Schumacher seine Tätigkeit beendete, ist nicht mehr festzustellen. Ein Do- kument aus dem Jahr 1921 trägt bereits die Unterschrift von Bürgermeister Schreck. Dieser Beamte hat sicherlich bis Mitte der 30er Jahre die Funktion inne gehabt. Ab 1835 bis Mitte der 50er tragen Verträge das Signum von Bürgermeister Süßmann.
Am 11. Juni 1870 setzte der Magistrat eine Belohnung von 10 Taler für die Auffindung des verschwundenen Bürgermeisters Harte aus. Wenige Tage darauf wurde er als Leiche aus der Stepenitz geborgen. Hintergründe für diese Tragik sind nicht überliefert. Der Junggeselle wird als ein Mann beschrieben, der stets seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt hat. Der von der Regierung eingesetzte „Supernumerar" Engelbrecht verfaßte die Einstellungsbedingungen für das freigewordene Amt. Das Gehalt betrug einschließ- lich Heizungszuschuss und Schreibmaterialien 480 Taler im Jahr, die im Rathaus vor- handene Wohnung ist mit 50 Taler berücksichtigt worden, so daß das Gehalt insgesamt 530 Taler betrug. In der Stadtverordnetensitzung vom 31. August 1870 entschied man sich für den Gutspächter Quade (Amtsperiode 12 Jahre). Trotz Unstimmigkeiten mit der Stadt erhielt Quade nach Ablauf seiner Dienstzeit erneut das Vertrauen der Abgeordne- ten. Die Regierung versagte aber ihre Zustimmung. Quade fand man am 25. Septem- ber erschossen in seinem Dienstzimmer. Im Monat darauf verwaltete Leutnant von (vom!) Stein kommissarisch das Amt, in welches er durch die Stadtverordneten am 25. November gewählt wurde. Seine Geschäftsführung hat zu Auseinandersetzungen mit den Kommunalpolitikern geführt. So beschwerte sich Ratmann Korth über ihn, und Stadtverordnetenvorsteher Maurermeister Wilke wurde gar bei der Regierung vorstellig. Vom 20. September 1887 an leitete Ratmann Liebeknechi die Geschäfte. Der auf Ersu- chen der Putlitzer angereiste Regierungsreferendar Gral Clairon d'Haussonville un- terstützte die Kommune bis zur Amtsübernahme durch Bürgermeister Nagel. Bereits am 9. September 1896 wandte sich derselbe aus seinem Kurort mit der Bitte an den Magistrat, den Urlaub zu verlängern. Nach seiner Rückkehr verstarb Nagel.
Vom Administrator zum Bürgermeister
Als die Stadtverordneten am 17. Oktober zur Bürgermeisterwahl zusammentraten ging der Administrator Goosmann aus Nettelbeck aus der Zahl der Bewerber als Sieger hervor. Er war allseits beliebt. Zu seinen bleibenden Verdiensten gehört die erste Anlage des heutiger Bürgerparks.
Das alte Rittergut wurde zur Landarbeiterwohnung
Blickt man von der Meyenburger Straße in Putlitz herüber zum Herrenhaus, dann zeigt sich an dessen Giebelseite ein kleiner Balkon. Dem auf merksamen Betrachter fällt auf, daß das dazugehörende Eisengitter zwei Jahreszahlen aufweist: 1898 und 1936. Damit wird auf das Baugeschehen hingewiesen: Das heutige „Schloß" wurde in zwei Bau- phasen errichtet. Eine Aufnahme, die zu Beginn des Jahrhunderts entstand, zeigt gut, wie der Witwensitz der Sophie zu Putlitz aussah, kurz nachdem er aufgebaut worden war. Im Jahr der Hochzeit von Baron Gebhard erfolgte noch einmal ein Anbau am Ost- giebel; das war eben 1936.
Den Putlitzern ist das anschließende Gelände als Posthof geläufig. Das Gebiet war einst durch das alte Posthaus mit Anbau, die noch vorhandene Schmiede, durch eine Hecke entlang der Meyenburger Straße und eine wunderbare Natursteinmauer begrenzt, die gegenüber dem Herrensitz an einer schmalen Straße entlang errichtet war.
Auf der Rückseite des Hauses reichte das parkähnliche Gelände bis zu dem Graben, der noch heute am Wasserwerk vorbeifließt und in die Stepenitz mündet. Der Zufluß bil- dete eine Besitzgrenze der Putlitzer Güter. Durch die Wohnhäuser in der Poststraße und der Meyenburger Straße ist allerdings nicht mehr zu erkennen, wie der Park ursprünglich angelegt war.
Das Rittergut Burghof findet nach Enders' „Schlot to Putlitz" im Jahre 1319 seine Erwähnung. Über Generationen hat das „Haus Burghof" den Besitz inne gehabt. Die Verpachtung und die Zeit der napoleonischen Besetzung führte zur Schwächung des Burghofer Wirtschaftsbetriebes und als Ergebnis davon 1811 zur Versteigerung Eigen- tümer war unter anderem die Familie - Hilgendorff. Die bürgerliche. Phase dauerte bis 1878. In dieser Zeit wurden die Reste der Burg abgetragen, ebenso der angrenzende Wirtschaftshof in Richtung der heutigen Meyenburger Straße. Neue Wirtschaftsgebäude entstanden später an der Pritzwalker Straße.
Als das Gut wieder zum Verkauf anstand, überlegte auch die Putlitzer Stadtverwaltung, ein Angebot abzugeben. Für einen Betrag von 126 000 Taler kaufte jedoch der Baron Edler Herr zu Putlitz auf Laaske das Rittergut wieder für die Familie Gans zurück. Eugen zu Putlitz hat den neuen Gutshof weiter ausgebaut.
Besitzgröße, Wirtschaftsstruktur und Siedlungsanteil des Gutsbezirks Burghof haben sich im Laufe der Zeit verändert. Zum Rittergut soll unter anderem einst eine Ziegelei, Abdeckerei und ein Anteil an der Kolonie Röskendorf zugeordnet gewesen sein. Außer- dem erwähnt Enders eine Windmühle. Zur Jahreszahl 1800 macht er folgende Angaben: drei Güter einschließlich Philippshof mit zwei Büdnern, 17 Einliegern, Schä- ferei, Wassermühle, Försterhaus, 14 Feuerstellen. 60 Jahre später gehören zum Burg- hof 13 Wohnhäuser und 23 Wirtschaftsgebäude einschließlich einer Getreidemühle und Ziegelei.
Die Zeit der Gutsbezirke endete in der Weimarer Republik. Am 13. Oktober 1928 teilte das preußische Staatsministerium mit, daß auch die Putlitzer aufgelöst sind. Sowohl die Burghofer als auch der Philippshofer Baron ließen einen Teil ihres Besitzes der Gemeinde Lütkendorf zuordnen. Angeblich geschah das aus Steuergründen.
Zur Zeit des Baron Gebhard existierten zum Putlitzer Herrenhaus zwei Auffahrten. Man sah hier nicht nur Kutschen vorfahren. Immer wieder lenkten die Gespannführer ihre Ackerwagen auf den Posthof, von der Meyenburger Straße aus oder am Postgebäude vorbei. Auch landwirtschaftliches Gerät wurde vor dem Nachbargebäude des Herrenhauses abgestellt. Heute noch gehört zum Gebäudeensemble die Gutsschmie- de. So mancher Hammerschlag klang zum Herrenhaus rüber, sicherlich auch zu der Zeit, als Kutschen der benachbarten Poststation repariert wurden.
In der Zeit der DDR diente das Herrenhaus schließlich als Wohnraum für die Familien von Landarbeitern, die auf dem VEG Burghof beschäftigt waren. Nach der Wende wurde die Villa geräumt und wartet nun seit Jahren auf eine neue Zukunft.
Das volkseigene Gut steht unter Denkmalschutz
Jedem Besucher, der von Pritzwalk kommend stadteinwärts fährt, fällt hinter dem Bahn- hof rechter Hand der große Komplex des Gutes Burghof auf.
An der Straße steht das schöne Verwaltungsgebäude, in dem einst auch der Gutsins- pektor seine Wohnung hatte. Zur Hofseite hin konnte man aus dem Büro des Barons auf die in einem Karree angeordneten Wirtschaftsgebäude blicken.
Linker Hand von der Straßeneinfahrt befindet sich heute noch ein Fachwerkbau, dessen harmonischer Anblick durch die erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einge- setzten seitlichen Tore eingeschränkt wird. Zur Zeit der Barone zu Putlitz nannte man dieses Bauwerk Scheune 7.
Das links anschließende Gebäude kann man getrost als einen kleinen Edelstein unter den Wirtschaftsgebäuden bezeichnen. Die auffällige Dachgestaltung erfolgte nach Informationen von Heinz Bohnsack erst 1942. Davor zeigte der Bau nur eine Abde- ckung mit Dachpappe.
In der ersten Hälfte des Jahrhunderts konnte man durch das erste Tor in den Kälberstall gelangen. Auf dieser Seite des Stalles hatten die sogenannten „Leute- Kühe" ihren Platz. Hinter dem mittleren Eingang gab es die Futterküche, von der man sowohl zum Jungvieh als auch zu den etwa 90 Milchkühen, die die hintere Hälfte des Gebäudes belegten, gelangen konnte.
Zur genannten Zeit war hier das Reich des Schweizers Fritz Bill. Vom Tagelöhnerhaus jenseits der Straße ist er herübergekommen, um das Vieh zu versorgen. Dafür standen ihm nur zwei Arbeitskräfte zur Seite. Melkermeister Bill ist Anfang der 50er Jahre in sein Geburtsland zurückgekehrt. Zum Gehöft gehört seit langer Zeit die sogenannte Quer- scheune, die gegenüber dem Verwaltungshaus liegt, ebenfalls ein alter Fachwerkbau. Auch hier stapelte man Getreidegarbe auf Getreidegarbe. Zum Komplex zählen des weiteren die „Pappscheune" und in Verlängerung zur Feldmark die sogenannte Feldscheune. Von der Straßenseite her fällt rechter- hand ebenfalls ein großes Wirt- schaftsgebäude auf, bei dessen Bau Feldsteine eingesetzt wurden. Die Nutzung hat sich im Laufe der Zeit geändert. Am Giebel waren damals die Fohlen untergebracht. Zu jener Zeit existierte in gleicher Höhe vor dem Verwaltungsgebäude noch ein Obst- garten.
Hofwärts folgte dann das Gebäude für die Rösser. Die beiden Pferdeställe besaßen je 16 Boxen. Zum Gutshof gehörten 26 bis 30 Arbeits- und zwei Reitpferde. Es fanden bis zu acht Gespannführer Arbeit und Brot. Man kann davon ausgehen, daß etwa 20 Ackerwagen einsatzbereit waren. Dafür hatte unter anderem die gutseigene Stell- macherei zu sorgen, die sich ebenfalls auf der rechten Hofseite befand. Sie wurde als
„Hackloch" bezeichnet. Man erinnert sich an den Stellmachermeister Martin Niklas. Und vergessen wir nicht den Speicher. Der war einst der Arbeitsplatz von Bodenmeister Wil- helm Schulz.
Das Gut Burghof wurde als „Volkseigenes Gut" (VEG) in die Bodenreform einbezogen. In der DDR- Zeit bot der Gutshof etwa 90 Arbeitsplätze. Das Berufsleben von manchem Putlitzer ist mit der Geschichte des Volksgutes verbunden. Bis zur Abgabe der Pflanzenproduktion an die „Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion" (KAP) bzw. die ZBE (Zwischenbetriebliche Einrichtung) wurden alle Wirtschaftsgebäude genutzt. Nach der Wende erfolgte der Abriß der ersten Stallungen.
Fünf Wirtschaftsgebäude im Karree, das Inspektorenhaus und die Hofpflasterung des Gutes Burghof stehen seit November 1994 unter Denkmalschutz.
Der 100 Geburtstag ist bereits vorbei
Dem Kreisblatt der Westprignitz war 1885 folgendes zu entnehmen: „Am 1. Februar 1885 wird in Putlitz für Stadt und Umgebung... eine städtische Sparkasse eröffnet werden. Dieselbe führt den Namen Sparkasse der Stadt Putlitz. Gemäß Paragraph 19 gewährt die Sparkasse für jede volle Mark, jedoch mit Ausschluß der Beträge unter 3 Mark, dem Einleger 3,5 Prozent jährliche Zinsen."
In der Stadt Putlitz begann somit 30 Jahre nach dem Darlehn-Kassen-Institut eine zweite Bank ihre Tätigkeit. Dem Kuratorium gehörten der Beigeordnete und Vorsitzende Güsmer, Ratmann Adolf Liebeknecht (Stellvertreter des Vorsitzenden, Kontrolleur) und die Stadtverordneten Maurermeister Fritz Kalbow, Apothekenbesitzer Eduard Hermann sowie Färbereibesitzer Ernst Heyl an, ebenfalls Klempnermeister Ernst Triloff und Schuhmachermeister Fritz Schumann. Am Tag der Eröffnung betrat als erster Sparer Landwirt Kenzier aus Tel- schow das Kassenlokal in der Wohnung des vom Magistrat gewählten Rendanten Kauf- mann Albert Abel (späteres Geschäft von Nette/ Schulz, Friedrichstr. 4) und vertraute der Bank eine Summe von 71,24 Mark an.
Sparbücher immer beliebter
In der Zeit von 1885 bis 1913 nahm die Anzahl der Sparbücher von 64 auf 1652 zu, die Sparsumme erhöhte sich zugleich von 20 110,38 auf 1 258 523,53 Mark. Bei Abschluß des ersten Geschäftsjahres stand ein Reingewinn von 21,76 Mark zu Buche. In diesem Zeitraum konnte die Sparkasse bereits Darlehen herausreichen, Staatspapiere kaufen und die ersten Hypotheken ausgeben. 1891 übernahm Rendant Nette die Verwaltung.
Im Jahr 1905 begann die Sparkassenzeit im Rathaus. Durch die Folgen des 1. Weltkrie- ges gingen die Spareinlagen bis auf einen Bruchteil verloren. In der Zeit der Geldent- wertung von 1921 bis 1923 betrug das Sparvermögen ganz genau 70.649.282.800,00 Mark. Umgerechnet entsprach das einem Betrag von 0,70 Goldmark. Im Jahr 1913 wurde die tägliche Verzinsung eingeführt, Anfang der 20er Jahre der Scheck- und Kon- tokorrentverkehr aufgenommen und der Anschluß an den „Giroverband der kom- munalen Verbände der Provinz Brandenburg Wirklichkeit. 1924 begann die Eröffnung der Goldmarkkonten. In dem folgenden Jahrzehnt erhöhten sich die Spareinlagen auf 400 000 Reichsmark. 22 Jahre begleitete Bürgermeister Hinze als Vorstands- vorsitzender die Sparkassengeschichte. In dieser Funktion folgte ihm Bürgermeister Dr. Berger. Erst 1934 wurde im Rathaus ein großer drei- fenstriger Kassenraum einge- richtet (auf dem Foto links der Eingangstür zu sehen), der rund ein halbes Jahrhundert seiner Aufgabe gerecht wurde. Dann zog man in die heutigen Bankräume in der Breit- scheid-Straße um.
Stets war die Sparkasse hilfreich bei der Lösung von kommunalen Aufgaben. Als z. B. 1929 die Pflasterung des Mertensdorfer Weges und die Erneuerung der Kanali- sationsrohre in der Karstädter Straße anstanden, da beschloß die Stadtversammlung die Aufnahme einer Anleihe von 8000 Mark bei ihrer Stadtsparkasse mit acht Prozent Zinsen bei drei Prozent Tilgung.
Mit dem 31. Dezember 1930 werden Aktiva und Passiva mit 412 875,84 RM beziffert. 1932 betrug der Umsatz 1613 610 RM, im folgenden Jahr 1478 566 RM. Mitte der 30er Jahre konnte ein Umsatz von 3350 347 RM verzeichnet werden, ein auffällige Zunahme im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1934 - 1 755 485 RM). Die Spareinlagen betrugen
1934 etwa 365 000 RM, ein Jahr darauf etwa 525 000 RM. In dieser Zeitspanne verän- derte sich die Zahl der Sparbücher von 926 auf 2009.
Mitte der 30er Jahre wurde das Tätigkeitsfeld der Stadtsparkasse Putlitz - bis dahin die Amtsgerichtsbezirke Perleberg, Pritzwalk, Meyenburg - auch auf Parchim ausgedehnt. Seit dem 1. Juli 1934 trug Alwin Höger die Verantwortung in der Sparkasse. Zu den Mit- arbeiterinnen vor dem 2. Weltkrieg gehörten u. a. Maria Bodenburg (verehelichte Nagel) und Ruth Iredi (verehelichte Baumann).
1945 Räume verwüstet
Und dann kam das Aus, der Zusammenbruch des Deutschen Reiches. Eine Augen- zeugin erinnert sich: Kassenraum verwüstet, die drei Geldschränke, die vor dem heuti- gen Wandgemälde im Bürgermeisterzimmer standen, gewaltsam geöffnet, die Regist- ratur herausgerissen. Und dann die vielen „Banknotenbündel", Geldscheine, die außer dem neuen Alliiertengeld bis 1948 ihre Gültigkeit hatten ...
Der Berliner Schachrundfunk-Chef punktete in Putlitz
Im Rahmen der republikweiten „Dorffestspiele" 1961 gab der Putlitzer Horst Apitz mit dem Zeitungsartikel „Wer will Stadtmeister werden" (Märkische Volksstimme) den Anstoß zur Gründung einer Sektion Schach in der Stadt an der Stepenitz. Darin erinnert sich heute noch gerne der 88 jährige Senior Ernst Carmienke - aber nicht nur deshalb, weil er dann wiederholt den Meistertitel errang. Bereits im Gründungsjahr konnte Horst Apitz den Kreismeistertitel nach Putlitz holen. Von 1961 bis 1964 führte Horst Apitz die Sektion Schach, danach fast 20 Jahre Ernst Carmienke. Der Nachfolger Horst Kühn war ein begeisterter Schachspieler und organisierte u. a. Simultanveranstaltungen vor der Zeppelinscheune, in denen er seine Kräfte mit 20 Gegnern gemessen hat.
Aus dem ersten Jahrzehnt gibt es manches zu berichten, wie z. B. die Teilnahme am Pokalwettbewerb „Schach
auf dem Lande". Die größten Erfolge erreichten die Gänsestädter in den Jahren 1963 und 1965 mit dem Vordringen unter die letzten acht Mannschaften im Republikmaßstab. Die Niederlage gegen die Mannschaft aus Rheinsberg (Mai 1965) verhinderte die Teil- nahme an der Endrunde im Rahmen der Landwirtschaftsausstellung in Markkleeberg (Leipzig). Innerhalb der Kreisunion (Kyritz, Wittstock, Pritzwalk) mußten die sechs Stammspieler ihre Kräfte u. a. mit Lok Pritzwalk, Einheit Kyritz, Traktor Stüdenitz und Lok Wittstock messen, die die erste Kreisklasse vertraten.
Zum Sportgeschehen gehörten Wettkämpfe mit den Soldaten der Wittstocker Garnision im Zeichen des Jahrestages der Roten Armee, als Gast oder Gastgeber. Russischlehrer Alfons Zippel stand als Dolmetscher den Putlitzern dabei zur Seite. Der Jahrestag der DDR war wiederholt Anlaß für ein Blitzturnier. Im Jahr 1964 gehörten z. B. neben den Traktorspielern auch Studenten der TH Merseburg zum Kreis der Aspiranten. Turniersieger wurde Traktorsportler Ernst Carmienke vor dem Vereinsspiele mit gleicher Punktzahl. Platz 3 ging an den Studenten Rohde. Mit dem Jahr 1966 nahm die BSG Traktor an den Punktspielen der Kreisklasse Perleberg teil und damit im Bezirk Schwerin. Es gelang der Aufstieg in die Bezirksklasse. In Grabow an der Eide stellten sich dem Fotografen (v.l.n.r.) Ernst Carmienke, Horst Apitz, Herbert Reinke, Eberhard Schulz, Helmut Trienke, Günter Jahncke und Bertholt Schulz, die be- reits in den Anfangsjahren für die Gänsestadt punkteten.
Für die Gänsestädter punkteten in den ersten Jahren ebenfalls Hellmut Fröhlich, Harry Stüwe, Wolf- Dietrich Keim und Helmut Gerber. Die Transportfrage gestaltete sich in der ersten Zeit kompliziert. So machten denn die Schachspieler Werner Grünberg, Ulli Wiechert, Horst Apitz ihre motorisierten Zweiradfahrzeuge startklar - und ab ging die
„Post". Über viele Jahre begleitete in der DDR-Zeit zunächst Werner Puchert und dann Helmut Steinhilber mit dem Barkas vom KfL Putlitz die Sportler zu den Wettkampf- stätten.
Die Schachsportgeschichte der Stepenitzstadt zur DDR- Zeit wurde u. a. auch durch Harry Stüwe, Rolf Mayer, Friedhelm Quaas und Meinhard Schön mitbestimmt. Über viele Jahre konnten die Sportsfreunde die Gaststätte „Putlitzer Hof" in Anspruch nehmen und damit auch die gute Hausmannskost von Gitta Schreck. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, daß bereits zur Weimarer Re- publik das Hotel von Paul Schreck Treffpunkt für Putlitzer Schachfreunde war, daß dort auch besondere Veranstaltungen stattfanden. Veranlaßt durch Getreidehändler Otto Langer gab z. B. der Leiter des Berliner Schachrundfunks, Edm. Nebermann, am 12. Februar 1926 eine Vorstellung im Massenschachspiel. Von den 16 Prignitzern konnten nur Frau Hermann aus Nettelbeck und Tierarzt Eggert siegreich bestehen.
Heute ist die Sektion Schach des PSV 1921 nicht nur in der Prignitz als Hochburg für das Brettspiel mit den 64 Feldern bekannt. Auch in der letzten Spielsaison konnten die Gänsestädter u. a. mit Platz 3 in der Abschlußtabelle in der Schachbezirksliga Mecklen- burg-Vorpommern, Staffel West, auf eine beachtliche Plazierung verweisen, erreicht durch die Stammspieler Axel Müller, Jürgen Welz, Peter Brack, Detlef Feige, Maik Gott- schalk, Bernd Ölke, Mareen Brandstädter und Christian Blume.
Der Bürgerverein hat in der Stadt viel bewegt
Als das dritte Jahrzehnt unseres Jahrhunderts begann, da gab anläßlich des Jubiläums des Bürgervereins der Vorsitzende, das war Postmeister Bartneck (1924/33), einen Rückblick auf die Geschichte der Interessengemeinschaft, unterstützt von den Vor- standsmitgliedern Klempnermeister Bohlmann, Postassistent Höger, Stellmachermeis- ter G. Meeske und Kaufmann O. Schulz. Auf Anregung von Bürgermeister Goosmann trafen sich am 7. März 1906 in dem kleinen Saal des Lokales Rusch 85 Bürger der Stadt Putlitz und gründeten den Bürgerverein. Goosmanns Gedanke bestand darin, Projekte der Kommune zur Diskussion zu stellen. Die Stadtverordneten ihrerseits konn- ten sich so über Wählermeinungen informieren. Die Gründungsmitglieder wollten ihren Beitrag zur Verbesserung des Lebens in der Stadt leisten. Der erste Vorsitzende war Gärtnereieigentümer Adolf Hansen.
Ihm folgte Gustav Schulz. In der Gründungszeit standen wichtige Entscheidungen an, wie z. B. der Bau der Chaussee Putlitz - Perleberg, die Streckenführung der Kreis(Ring)bahn und der Bau der Bahnlinie Suckow.
Erste Erfolge
Zu den ersten Erfolgen des Bürgervereins zählt, daß der alte Friedhof gegenüber vom Burghof nach Verhandlungen mit der Kirche wieder als Ehrenstätte hergerichtet wurde oder der Bau einer Leichenhalle auf dem Friedhof. Da es zum Bahnhof keinen Fuß- gängerweg gab, wurde durch Geldsammlung und freiwillige Spanndienste der Vereins- mitglieder der rechts liegende damalige Chausseegraben zugedeckt und mit einer Schlackenfüllung versehen. Später folgte ein Plattenbelag. Im Jahr des Beginns des 1. Weltkrieges übernahm Kaufmann Wilhelm Höpke den Vorsitz und stellte sich fast ein Jahrzehnt den Aufgaben. In den Kriegsjahren schickten Vereinsmitglieder Liebespakete an die Front. In dieser Zeit nahmen die Diskussionen zur Energiefrage bzw. Beleuch- tung der Stadt teilweise groteske Formen an. Gegner und Befürworter - Gas oder Elekt- roenergie - standen sich gegenüber. 1923 wurde der Geschäftsinhaber Fritz Eisenhart zum Vorsitzenden gewählt. Zur Zeit von Hermann Nette (ab 1925) ergaben sich Themen und Aufgaben, die mit der hohen Arbeitslosigkeit im Zusammenhang standen. Zu manchem Anliegen bezog der Bürgerverein Stellung, wie z. B. im 20. Jahr nach der Gründung zu dem Anliegen des Schneidemühlenbesitzers Carl Muß, der den „Schwar- zen Gang" (Sägereigrundstück Schwarz) erwerben wollte und dafür der Stadt einen acht Meter breiten Streifen entlang der Bahn anbot. Heute noch können die Bürger diesen Zuweg von der Perleberger Straße aus zur Pritzwalker Straße nutzen. Im Jahresbericht von 1929 teilte der Vorsitzende Bartneck u. a. mit, daß es gelungen sei, Gespannführer zu gewinnen, die unentgeltlich den Schlackentransport für die Befesti- gung öffentlicher Wege (Promenade) übernahmen. Zur Promenade gehörte der heutige Birkenweg, der schon damals, wie das Foto dokumentiert, zum Flanieren einlud.
Die Kasse war leer
Die Verbesserung der Dienstleistungen der Bahn und der Post waren bevorzugte Themen für die 180 Vereinsmitglieder. Es ging vor allem immer wieder um die unent- geltliche Mitarbeit der Vereinsmitglieder. Der Kassenbestand von 84,23 RM im Jahre 1929 macht das verständlich. Zum Programm im Jubiläumsjahr 1931 gehörte u. a. die Erneuerung und Ausbesserung von „öffentlichen" Bänken, die Planierung der Promena- de und die Verbreiterung des Weges von der Schützenhalle zum Ehrenmal.
Eine Aufgabenstellung wird nun nach 70 Jahren von der Kommune realisiert: Als sich Mitglieder des Vereins am 26. Juli 1928 zur Generalversammlung trafen, stand erneut die „Schaffung einer öffentlichen Bedürfnisanstalt" auf der Tagesordnung.
Des weiteren sollte durch Schüttung die Promenade zwischen Hülsebecker Weg und Eisenbahnbrücke hergerichtet werden. Man trat dafür ein, daß die Kommune einen Feldhüter einsetzt, damit die „Stehlereien" in den Gärten und auf den Feldern ab- nehmen.
Vor sieben Jahrzehnten aktuell: Freigabe der Burgbesichtigung. Heute wird das Engagement für die Bereicherung des Lebens in der Stadt u. a. durch die Mitglieder von „Wall 10" gefördert.
Der Putlitzer Steigerturm hat schon viel gesehen.
Zur Geschichte und Gegenwart der Stadt gehört der Steigerturm an der Karstädter Chaussee in Nachbarschaft des Bürgerparks. Steigerturm - der Name legt die Verbin- dung zum Bergbau nahe. Sollte es möglich gewesen sein, daß in der Prignitz ein technischer Leiter eines Bergwerks - ein Steiger - gewirkt hat, daß Bergleute in die Grube „eingestiegen" sind?
Tatsächlich kann davon ausgegangen werden, daß sich auch Putlitzer im vorigen Jahr- hundert auf den Weg zur Luisen- und der bekannteren Ottiliengrube begaben, als dort noch etwa 300 Arbeitskräfte Brot und Verdienst fanden. Vor einem halben Jahrhundert noch machten sich Einwohner - vorbei am Steigerturm - auf in Richtung Bergbaugrube. Doch zwischen dem Gülitzer Bergbaugebiet und Putlitz' Steigerturm besteht gar kein Zusammenhang.
Im Lexikon heißt es: „Übungsturm der Feuerwehr aus Holz oder Mauerwerk, meist drei Stockwerke hoch, der Steigerturm wird mit in die Fenster eingehängten Hakenleitern bestiegen". Unzählige Male eilten Kameraden der freiwilligen Wehr aus Putlitz mit der Hakenleiter zum Turm.
Der Steigerturm - ein Bauwerk der engen Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Stadtverwaltung - in unmittelbarer Nachbarschaft der Stepenitz hat viel gesehen, vor allem Volksfeste. Etwa den dritten Pfingsttag in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts: Seitwärts am Turm hatte Gastwirt Paul Schreck seinen Stand. Davor befand sich das Schankzelt von Wilhelm Schumacher, das durch seine runde Form auffiel. Die Tische waren mit selbstgewebten weißen Tüchern bedeckt, Kaffee und Bockwurst wurden gereicht und natürlich auch „Burgbräu" von der Putlitzer Firma Gerke. Außerdem gab es das Schankzelt des Töpfermeisters Kump, dessen Frau die kleine Gaststätte in Sichtweite vom Bahnhof West hatte. Mitten auf der Wiese am Steigerturm hatte das große Tanzzelt des Restaurants „Bahnhof West" seinen Platz. Hier wurde so mancher Tanz aufs „Parkett" gelegt. Nicht zu vergessen - zum Angebot gehörten ebenfalls die leckeren Sachen von Bäckermeister Thätner einschließlich der süßen Bonbons in den großen Glasbehältern. Auch Fischhändler Pirow aus der Wilhelmstraße stand mit sei- nem Angebot bereit. Die große Tombola darf nicht unerwähnt bleiben. Dann das Gedränge vor dem Steigerturm - die Folge war eine ausgesprochene Volksfest- stimmung.
An so manchem Vormittag machten sich andere am Steigerturm zu schaffen: Jungen und Mädchen. Nicht etwa aus Schabernack, sondern zur Leibesertüchtigung. Schüler haben etliche Sportstunden auf dem Reitplatz erlebt.
Vor 1945 gehörte dieses Terrain zum Gutspark des Philippshofer Barons. Zu der
Zeit machten sich die Buben und Mädchen mit ihrem Lehrer auf den Weg zum alten Turnplatz neben dem Steigerturm. Damals, um 1930 etwa, waren die Linden an der Chaussee noch jung, und die Mädchen freuten sich noch über ihre blaue Sport- bekleidung, in die man so bequem hineinsteigen konnte. So manche gymnastische Übung wurde absolviert, etwa bei Fräulein Krüger oder Maxe Adam.
Das Umfeld des Turmes bot viele Möglichkeiten. Ein dickes Seil und eine kräftige Holz- stange am Steigerturm diente gewandten „Äffchen", die schnell emporklimmen konnten, aber auch Gewichtige, die der großen Schwerkraft Tribut zahlen mußten. Vieles ließe sich noch berichten, auch aus der Zeit der DDR. Etwa über Kinderfeste, den 1. Mai oder an die Zeit als der Steigerturm als klien Küche diente - etwa 1953 beim Bau der Badeanstalt in Putlitz.
Der Stadtkapellmeister und sein Team
Das kann gesagt werden, die Musiker des Städtchens Putlitz spielten über Jahrzehnte in der West- und Ostprignitz und machten auch manchen Abstecher ins Mecklenburgi- sche.
Wenn man in die Geschichte unseres Jahrhunderts zurückblickt, dann muß zunächst aus der überschaubaren Zeit auf das Wirken des Kapellmeisters Meißner eingegangen werden. Dieser Berufsmusiker hatte sein Domizil in der Perleberger Straße, in Nachbar- schaft des Steinmetzmeisters Breitkreuz und seit den 30er Jahren des Steinmetzmeis- ters Genz.
Heute noch gehört zum Wohnhaus ein Anbau, der im ersten Drittel unseres Jahr- hunderts den großen Übungsraum für die Putlitzer Kapelle beherbergte. Hier trafen sich wöchentlich die Instrumentalisten. Der Kapellmeister schwang den Taktstock, und die Mitwirkenden entlockten den Holz- und Blechinstrumenten die hohen und tiefen Töne. Klappte es nicht - wie konnte es anders sein - dann wiederholte sich die Tortur.
Die Anwohner nahmen kostenlos an den Proben teil, das Trommeln und Trompeten erreichte auch die gemütlichste Stube. Strapaziös war es für die Anlieger sicherlich dann, wenn die Lehrlinge zu den Instrumenten griffen und aus den Klangkörpern Töne herauspreßten, die in den Druckformularen nicht aufgeführt waren. Erzählt wird, daß sechs bis acht Eleven am Wettstreit des Studierens der Muse teilnahmen. Einige Lehr- linge fanden ihr Logis direkt über dem Musiziersaal.
Das Wohnhaus des Meisters war nicht nur den Prignitzern bekannt, die die Kapelle zum Fest bestellten. Auch manche Mutter eilte zum Meister, um ihren hoffnungsvollen Sprößling anzumelden. Der Musiker Reinhard Meißner hat auch Instrumentalunterricht für Schüler erteilt. Auch sie wurden in das künstlerische Wirken durch den Meister be- stens eingeführt. So sah man denn wochentags Mädchen und Jungen, manchmal in Begleitung der Mutter oder eines anderen Angehörigen, sich auf den Weg in die Perle- berger Straße begeben, mit der Geige oder dem Akkordeon. Wieviele Putlitzer haben im Laufe der Jahre den Hof des Dirigenten betreten, sind die Treppe im Wohn- hausanbau emporgestiegen und dann in den länglichen Musiziersaal eingetreten? Oft stand der Meister am Podium, forderte in seiner ruhigen und freundlichen Art zum Vor- spielen auf, korrigierte die Fehler und machte den Schülern immer wieder Mut zur Wiederholung des Vortrags.
Natürlich gab es schon vor der Zeit des genannten Musikexperten Meister ihres Fa- ches, die mit ihren Musikstücken viel Beifall ernteten. Die Tradition der Kapellmeister Hecht und Kuhnart wurde also durch Meißner erfolgreich fortgesetzt. Auch an sie haben sich Putlitzer in den 20er Jahren gerne erinnert. So ist es nicht verwunderlich, daß 1928 die Vorbereitungen aufgenommen wurden, um im Mai nächsten Jahres ein Treffen ehemaliger Musikschüler Putlitzer Kapellmeister in der Heimatstadt zu organisieren, man erwartete mehr als 100 Schüler.
Manches kann noch aus dieser Branche berichtet werden. Ein Musikschüler der Put- litzer Stadtkapelle sollte später als Komponist, Flötist und Texter nicht nur in Branden- burg und Mecklenburg bekannt werden. Das gilt es auch hier zu würdigen.
Auch bei dem Dirigenten Meißner galt der Grundsatz, daß noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Auch sein Sohn mußte fleißig üben. Er soll später als Militärmusiker in Hannover seinen Weg gemacht haben.
Für die großen Einsätze galt es sich gründlich vorzubereiten. Die Putlitzer konnten sich bei vielen Gelegenheiten von dem Können ihrer Stadtmusikanten überzeugen. Dazu gehörten die Festlichkeiten in den Sälen der Stepenitzstadt, das Musizieren auf den Festwiesen und -platzen, der Einsatz bei den Umzügen durch die Straßen und das schwungvolle Aufspielen bei mancher Familienfeier. Flotte Märsche und die beliebten Gassenhauer erklangen vor allem auf den unzähligen Vereinsfeiern, ob im Vereinslokal oder im „Freizeitpark" vor dem Karstädter Tor.
Ja, so war das. Die Mitglieder des Vorstandes der Schützengilde, des Sport- oder Turn- vereins, des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold der Ortsgruppe Putlitz, Stahlhelm oder zum Beispiel des Arbeitervereins einigten sich dahingehend, in welcher Stärke und eventuell instrumentaler Zusammensetzung die Kapelle Meißner das Sommer- oder Wintervergnügen begleiten sollte. Sicherlich wird das Team von der Perleberger Straße stets gerne der Einladung zur Hochzeit gefolgt sein.
Es muß erwähnt werden, daß die Musiker auch bei den verschiedensten Anlässen in den Dörfern aufgespielt haben.
Der Wall könnte so manches erzählen.
Im Vordergrund des Bildes am Wall zeigt sich mit dem Giebel ein kleines Häuschen, davor drei Ackerwagen. Hier hat einst der Bürger Heinrich Koch sein Domizil gehabt, ein fleißiger Mann. Den kleinen Wagen zog ein treues Pony - und so ging es von Haus zu Haus, im Dienste der Entsorgung, ob Lumpen oder z. B. Tierfelle. Und immer wieder lagerte Schrott vor dem Gehöft. Auch Schüler und Jugendliche haben sich durch Metall- ablieferung Geld verdient.
Doch als in den 20er Jahren Jungen mit einem Sack voll großer Krampen ankamen, da konnte der Wallbewohner nicht ahnen, daß die Bengels dieses Material in Höhe des Reitplatzes von den Weidekoppelpfählen „gewonnen" hatten.
Heinrich Koch übte zwar die Funktion des Vorsitzenden des Ziegenvereins aus, hat aber trotzdem in Ausübung seines Erwerbs mancher Ziege am Wall das Feil über die Ohren gezogen. Wie viele andere Putlitzer sah er sich genötigt, noch einer zweiten Beschäftigung nachzugehen. So machte sich der Wallbewohner mit seinem Gefährt auf in die Dörfer, um Bücklinge und Aale anzupreisen.
Manches frühere Haus zeigt die Aufnahme nicht mehr, so fehlt in Nachbarschaft z. B. die Schusterei des Bürgers Heinrich Klatt. Die Konkurrenz für diese Dienstleistung ist von jeher enorm gewesen. So wird berichtet, daß zur Zeit des Altmeisters Wichert, der 1781 die Schustergilde führte, 86 Schuhmacher in der Gänsestadt die Bürger umwar- ben. Rund 150 Jahre später begab sich der Wallhandwerker Klatt zu seinen Kunden in die Dörfer, sammelte das Schuhwerk ein und lieferte es sorgfältig repariert wieder an der Haustür ab. Und wie oft hat der kleine Sohn, den Sattel des Fahrrades konnte er nicht erreichen, die blanken Stiefel durch die ein Schneekleid tragende Putlitzer Heide bis nach Burow gebracht?
In dem damaligen Fachwerkhaus Wall 8 hat im Winter 1928 der Bürger Puttich eine Gärtnerei eröffnet und gehofft, durch Kranzbinderei sowie Baum- und Heckenschnitt weitere Kunden zu gewinnen. Ob die Nachbarn Wachholz bzw. Sommer auch das Angebot nutzten? Davon kann ausgegangen werden.
Heute noch steht am Wall ein langgestrecktes Haus, in dem einst die Familie Wol- tersdorf generationenlang lebte. Der Senior betrieb Altstoffhandel, sein Sohn hat so manches Haus bauen geholfen, und der Enkel den bekannten Putlitzer Arzt Dr. Talke sicher durch die Prignitz gesteuert.
Ob Schaukel oder Schießbude, Hau den Lukas oder Losbude, all das wurde von den Putlitzern von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gerne am Wall angenommen. Und was für eine Freude durch die Kettenkarussells auf dem dortigen Festplatz. Vor der Epoche des elektrischen Stromes haben die Putlitzer Burschen diese mit ihrer Muskelkraft zum Kreisen gebracht. Dafür gab es dann die Freikarte.
Auch manches Pferd kam zum Einsatz.
Ja, der Wall kann vieles berichten. Man erinnert sich daran, daß hier einst Willi Gließ- mann und Richard Kaiser mit ihren Dreschkästen Lohndrusch angeboten haben. Wiederholt hat hier das „fahrende Volk" Station gemacht. Und wieviel Kinder- generationen nutzten das Gefälle zum Rodeln, auch die „Todesschleife" um den Schup- pen von Chausseearbeiter Schröder am Stepenitz-Ufer. Bei manchem Manöver war hier der Sammelpunkt. Die Kinder zeigten den Soldaten den Weg zum Quartier. Natür- lich erinnert man sich aus der DDR-Zeit der Wallbewohnerin Emmchen Wiek, deren Sorge über viele Jahre den Putlitzer Gänsescharen galt. Zu ihrer Lebenszeit konnte kein Putlitzer ahnen, daß sie als Original in netter Art für Berichte im Amtsblatt dient und „Emmchen Wiek" am Festumzug 1998 teilnimmt.
Der« Putlitzer Hof« schreibt Putlitzer Geschichte
Mit der Gastronomiegeschichte der Stepenitzstadt ist untrennbar das Hotel „Putlitzer Hof" verbunden, das 1919 in den Besitz von Paul Schreck übergegangen ist. Wer möchte den Versuch unternehmen, all die Geselligkeiten zu berücksichtigen, die hier bereits zur Weimarer Republik und in den 30er Jahren stattfanden.
Selbstverständlich gehörte dazu mancher Treff im Rahmen des Schützenvereins. Bild- dokumente belegen, daß Paul Schreck wiederholt beim Königsschießen zu Ehren kam, so auch als erster oder zweiter Ritter. Auch Großstädter kannten die Putlitzer Adresse, verlebten regelmäßig Kurzurlaub im Hotel vis a vis vom Rathaus. So machte sich dann der Hausdiener Stüwe mit dem groß- rädrigen Wagen bzw. Karren auf zum Putlitzer Hauptbahnhof. Auch erstmals Einkehrende erkannten den Helfenden an seiner Schirm- mütze mit der Aufschrift „Putlitzer Hof". Und das war klar, auch diesen Hausgästen, die mit dem Berliner Zug nachts um 11.30 Uhr eintrafen, wurde ein warmes Gericht zubereitet.
Immer wieder kehrten Handelsreisende ein. Am nächsten Tag begaben sie sich mit ihren großen Musterkoffern zu den Putlitzer Geschäftsleuten, hierbei des öfteren unter- stützt vom Hausdiener. Auch diese Herren waren gern gesehene Gäste, auch deshalb, weil so die Wirtsleute aus erster Hand das aktuellste Modell der Modeschöpfer oder aus der Schuhbranche offeriert bekamen.
Vergessen wir nicht die Kunden, die das Angebot der Ausspannung auf dem gemein- samen Gehöft mit Kaufmann Schmidt in Anspruch nahmen. Dazu zählte der Herr vom Gut Menthin, dessen Kutscher sich bestens auskannte. Später parkten die ersten Auto- mobile auf dem Innenhof wie zum Beispiel der Gast Kieback aus Lütkendorf. Was für ein Gedränge, wenn Viehhändler Paul Stamer auf dem Jungfernsteg in Aktion trat. Ob Rind oder Schwein, die Waage im rechten Gebäude von der Hofauffahrt mußten sie
„passieren".
Im Hotel drängelten sich Frau und Mann um die Schwester von Paul Stamer, die den Verkaufspreis auszahlte. Die Liebste wich erst dann von der Seite ihres Gatten, wenn sie ihre Geldscheine zum Einkaufen fest in der Hand hatte.
Und dann die schweren Kriegsjahre. Als die Ausgebombten aus Hamburg eintrafen, wurden bis zu 150 Personen schichtweise mit Mittagessen versorgt, so auch die Solda- ten der Wehrmacht. Das Jahr 1945 war für das Haus Schreck ein schwerer Schlag. Vier Wochen mußte die Familie Haus und Hof verlassen. Wohnung und Gasträume wurden nicht nur von Soldaten der Roten Armee geplündert.
Für viele Putlitzer ist das Hotel Putlitzer Hof mit unvergeßlichen Erlebnissen verbunden, ob Familien-, Vereins- oder Betriebsfeiern oder gemütliche Runde am Stammtisch. Dies auch in der Zeit von 1958 bis 1979 als Gitta Schreck allein verantwortlich die Tradition des Hauses fortsetzte. In manchem Monat war an jedem Freitag ein Hochzeitstermin gebucht. Dann hat die Chefin in der Küche das Zepter geschwungen, so manches Mal bestens unterstützt von Anni Wächter und Elisabeth Zippel. Dankbar wurde auch die Hilfe von Inge Rossig und Hildegard Wettstädt in Anspruch genommen. Wie oft kehrten nach dem „Einsatz" die Chorfrauen, Turnerinnen und Freitagskegler im Putlitzer Hof ein, dort bestens umsorgt von Gitta Schreck. Und wenn die Weidmänner der Jagdgenossenschaft auch Jägerlatein zum Besten gaben, dann konnte das auf einer der Treffen im Putlitzer Hof geschehen.
Es sind nur Beispiele. Seit nunmehr 20 Jahren wird die Geschichte der Gaststätte am Rathausplatz durch die Familie Horst Schlapmann fortgeschrieben. Ja, der „Putlitzer Hof" begleitet einst wie heute manches Ereignis in Putlitz.
Die Barbiere hantierten auch mit der Zange.
Das vielseitige Leistungsangebot der Friseure oder Anno Domini der Barbiere war stets gefragt. Wer kennt nicht jene bildhaften Darstellungen aus jener Zeit, auf denen der geplagte Bürger mit seiner dicken Wange auf einem Scherrfel sitzt und der Figaro zu seinen Instrumenten greift, nicht nur zum Kamm, sondern auch zur Zange.
Das geschah ebenfalls auf dem Jahrmarkt in Putlitz. Die Barbiere folgten dem Markttrei- ben von Ort zu Ort. So ist z. B. überliefert, daß am 13. Mai 1670 der „Zahnarzt" Christ- ophus Bartels eine Tochter Eva Maria in Putlitz taufen ließ. Es ist vermerkt, daß es ein
„Zahnarzt" aus Halberstadt war, der den hiesigen Markt besucht hatte. Zahnarzt und Barbier - das war meistens eine Person. Diesen Service boten noch zu Beginn des Jahrhunderts die ortsansässigen Friseure an. So hatte zu der Zeit gegenüber vom heu- tigen Bankgebäude ein Barbier seinen Laden. Kam ein von Schmerz betroffener Prig- nitzer, dann sagte der Meister: „Nu wüll'n wie mol ierst de Finster tau moken." Das Zahnziehen erfolgte ohne Spritze, ohne Betäubung, eventuell unter Verabreichung von Alkohol.
Zahnziehen und Aderlaß
Im ersten Drittel unseres Jahrhunderts erreichten Putlitzer Friseurmeister durch Schu- lung und Qualifizierung den Berufsabschluß des Dentisten. So konnte Rudolf Schuma- cher am 10. Mai 1925 bekanntgeben, daß von den Orts- und Landkrankenkassen des Kreises Westprignitz die Zulassung als Dentist erfolgt ist.
Einst haben Putlitzer Figaros auch den niedlichen Blutegel an die pulsierende Ader gesetzt, zu der Zeit, als die Lehrjungen durch das Pritzwalker Tor zum Ihlenpuhl am Schmarsower Damm eilten, um wieder kleine „Blutsauger" in das Glasgefäß zu bug- sieren. Bis Mitte der vierziger Jahre nahmen die Putlitzer die Dienstleistungen des Fri- seurmeisters Karl Puls gerne in Anspruch. Der Laden in der Waagestraße stand den Kunden auch über Mittag durchgehend zur Verfügung stand. Nachwuchssorgen kannte der Handwerksmeister Puls nicht. So nahm z. B. Willi Kolzer 1942 die Lehre beim Meis- ter auf. Lehrlingsgeld gab es nicht, aber für zehn Mark Zuzahlung garantierte Ganztags- verpflegung und freie Logis. Zu der Zeit ging es auch zur Allgemeinen Berufsschule in der Perleberger Straße (Haus Stamer). Der Fachunterricht erfolgte dann in Perleberg.
Der Kunde war stets König. Da gab es in den 40er Jahren jene, die bei Zahlung eines Pauschalbetrages von Meister Puls regelmäßig betreut wurden. So konnte auch des Sonntags die Rasur zu Hause vorgenommen werden. Für eine Einzelrasur reichten zehn Pfennig aus. Die Anfertigung der Perücke gehörte zum Service. Der Meister persönlich hatte die Kopfmaße genommen und der sein Fach bestens beherrschende Putlitzer Mitarbeiter F. war dann Stunde auf Stunde tagelang am Wirken, Haar auf Haar wurde eingefügt. Noch am späten Abend sah man bei Bedarf den Eleven mit dem Fahr- rad das Produkt ins nächste Dorf bringen. Und beim nächsten Ball staunte man über die wunderbare Haarpracht der Trägerin.
Unvergessen ist das Schaffen des Friseurmeisters Franz Funk, der noch zu späterer Stunde den Kunden zur Verfügung stand. Man verweist ebenfalls auf den Meister Alfred Friedrich von der Friedrichstraße 1.
Puppenklinik im Salon
Dieser Herren- und Damensalon beherbergte sogar eine Klinik, eine Puppenklinik.
In dieser Straße wirkte einst auch Meister Fritz Genz. Was mag ihn 1928 dazu bewogen haben, seinen Laden nach Wilhelmstraße 22 zu verlegen? In dem genannten Eckhaus sah man ebenfalls Handwerksmeister Klages am Wirken. Mit einem Computer konnten die Figaros damals noch nicht aufwarten, aber das hat dem Können keinen Abbruch getan. Technik kam schon zum Einsatz. So machte bereits vor 70 Jahren Fri- seurmeister Willi Mahrzahn darauf aufmerksam, daß die elektrische Kopf-, Gesichts- und Körpermassage vorschriftsgemäß ausgeführt wird. Aus der DDR-Zeit erinnert man sich an den Friseursalon Rother (Nachfolger von Puls). Seit 1959 boten in der Thäl- mannstraße im Salon der PGH Friseure (vormals Drogerie Duderstedt) der Fri- seurmeister Manfred Tetzlaff und seine fünf Mitarbeiterinnen das umfangreiche Dienst- leistungsangebot des Handwerks. Unvergessen ist der Salon (1957 bis 1990) des Fri- seurmeisters Karl-Heinz Koch (vormals Friseurgeschäft Schumacher) in der Karstädter Straße. Mit dem Namen Karl-Heinz Koch verbinden die Putlitzer ein engagiertes Ein- treten für den Fußballsport. Heute bieten die Friseur GmbH Modern Hair Team, Elfis Salon und der Salon Ellen Leonhardt ihre Dienstleistungen an.
Die Gans im Wappen gehört zur Geschichte
Jedem Putlitzer ist bekannt, daß zur Geschichte der Stadt Putlitz eben die Gans gehört, ob im Wappen des bekannten Adelsgeschlechts Edle Gans oder der Stadt an der Stepenitz. Das Wappen der Familie Gans - das Adelshaus ist wie dargelegt untrennbar mit der Historie Brandenburgs und insbesondere der Geschichte der Prignitz verbunden
- zeigt „in rotem Schild eine kopf- und halsgekrönte auffliegende silberne Gans auf grünem Dreihügel. Darüber ein Helm mit rotsilberner Decke, drüber eine Krone, die Schildfigur zwischen zwei geharnischten Armen, welche wiederum eine goldene Krone emporragten". In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, daß die Gans ein deut- sches Göttertier ist und später an Stelle der Wallkürenschwäne das heilige Tier Berchthas wird.
Für die Gans als Wappentier wird im „Johanniter Wochenblatt" eine Deutung wie folgt dargelegt: In der mythenreichen Schlacht am Welfsholze ist der Graf Hoy- er von Mans- feld, der „Ungeborene", gefallen. An diesem kämpf hat auch sein Sohn (oder Vetter) teilgenommen und ist dabei schwer verwundet worden. Als er von Lothar von Sachsen und dessen Mannen umringt war, sprach der Schwerverletzte „Hier stehe ich wie eine verflogene Gans". Der wackere Kriegsheld trat in die Dienste des Sachsenherzogs Lothar, des späteren Königs und Kaisers. An dessen Seite hat er manchen Kampf gefochten und dabei immer wieder große Treue und heldenhaften Mut unter Beweis gestellt. In einem Gedicht aus der Familiengeschichte der Gans heißt es:
„Da man elfhundert fünfzehn schrieb, Ein schöner Stern erblich
Am Welfsholz Graf Hoyer blieb, Von Mansfeld nannt er sich;
Graf Hoyers Sohn, jung Gebhardt kam Zum sächsischen Lothar
Und diente ihm viel tugendsam Sechs Monat und zwölf Jahr. Der Kaiser sprach: „Herr Gebhardt jung,
Zieht gegen Wendland aus,
Da gibt es Land und Ruhm genug. Und gründet Euch ein Haus."
In Anerkennung seiner ruhmreichen Taten schenkte der Herrscher (s. o.) dem uner- schrockenen Recken die Burgward Putlitz im Land der Wenden. In den Versen heißt es:
„Und als ein Jahr zu Ende ging. Da hat die Gans gesiegt. Der Wendefürst mit güldem Ring Auf blutgem Felde liegt. Im Fürstenschloß, das Putlitz hieß Stand Graf Hoyers Sohn, die Mannen sein mit Schwert und Spieß,
Die nehmen großen Lohn. Herr Gebhardt sprach: 'Das Wappen mein
Sei die verflogene Gans, Ei die thät sich verfliegen frein, Drum ziehmt ihr auch ein Kranz."
Es ist eine Legende aus der Zeit der fabulierenden Geschichtsschreiber um 1500 und nicht aus der Entstehungsepoche der Wappen um 1200. Historiker vertreten wie erwähnt den Standpunkt, daß die Erklärung für das Wappentier Gans sich aus dem früheren Eigentum (Gänseburg) in der Altmark (Pollitz) ergibt. Mitglieder der Familie Gans nennen sich später nach ihren Besitzungen „zu Perleberg", „zu Wittenberge" und schließlich gegen Ende des 13. Jahrhunderts „zu Putlitz". So wie die Stadtherren Gans führte stets auch die Stadt Putlitz die Gans im Wappen. Ein Siegel aus dem 14. Jahr- hundert trägt die Inschrift „S Civitates Potlest" und zeigt auf dem Wappenschild eine nach rechts gewendete, flugbereite Gans, jedoch ohne die zum Wappen der Edlen Herren gehörige barocke Kopf- und Halskrone; hinter dem Schilde „wachsen" ausge- breitete Ährenbündel hervor. Im Unterschied zu Wittenberge und Perleberg blieb Putlitz dem Stammwappen treu.
Die Stadtflagge besteht seit 1997 aus drei Streifen in den Farben Grün-Weiß-Rot mit dem Stadtwappen im Mittelstreifen. Das Wappen zeigt in Rot auf grünem Boden eine flugbereite gold-bewehrte silberne Gans. Der historischen Gegebenheit hat man erst in jüngster Zeit Reverenz erwiesen. Der Landkreis Prignitz führt in seinem Siegel eben- falls die Gans. Das 1992 gegründete Amt Putlitz-Berge (Putlitz und 16 Gemeinden, im Juni 1997 6126 Einwohner) steht dem nicht nach.
Die Innung der Böttcher, Stellmacher und Tischler
So war das auch noch in unserem Jahrhundert. Die Tischlermeister Egon Voß und'Rudi Richter führten ihre Handwerksbetriebe in der 3. Generation in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts, Ihre Väter und Großväter, Martin und Ferdinand Voß sowie Friedrich Richter (Sohn) und Friedrich Richter (Vater), hatten bereits zu Anfang des Jahrhunderts ein leistungsstarkes' Angebot. Dies bezog sich u. a. auf Möbelproduktion und -verkauf, Bauausführung, Innenausbau; vielgestaltige Reparaturleistungen, und Bereitstellung von Särgen. So manche Haustür, so manches Fenster wurde, in den Firmen Richter und Voß gefertigt. Länger als 100 Jahre - die Bau- und Möbeltischlerei Voß wurde 1878 gegründet - begleiteten sie das Dienstleistungsangebot in der Stadt wie vorher weitere Berufskollegen, so Meister Kaatz oder z. B .Tischlermeister Freude, dessen Haus 1865 abbrannte.
Das Angebot dieses Berufsstandes gehört auch im der Gegenwart in der Stadt zum all- täglichen Leben, u.a. durch die Firmen Dahlenburg und Longolius. Schwieriger ist es schon, sich der früheren Bedeutung der Böttcher bewußt zu werden. Heute schmücken Butterund Pökelfaß Museen, kann man dort erstaunt zur Kenntnis nehmen, welche Viel- falt an Formen und Größen die „Holzwannen"-Mollen aufzeigen, unentbehrlich u. a. beim Schweineschlachten auf den Höfen. Früher gehörte die Dienstleistung des Bött- chers zum Tagesgeschehen. "Man erinnert sich an Meister ' Mertfen, der vis-a-vis vom
Bankgebäude in der Wilhelmstraße sein Domizil hatte, durch das Faß über der Ein- gangstür nicht zu übersehen.1 Wenn man vom Rathausplatz aus in die kurze Marktstraße geht, dann konnte man dort linkerhand npch 1996 ein kleines Fach- werkhaussehen, in dem einst Böttchermeister Ziggel seine Werkstatt hatte. Nicht ver- gessen ist die einstige Dienstleistung von Böttchermeister Schulz in d^r Köriigstraße., Zu netinen ist11 aus dem Ijl andwerksbereich i auch Meister, Massow. Zeitweise teilte er sich den I Innenhof in der » Wilhelmstraße mit Schmiedemeister ; Schulz.
Man .Erinnert sich, an Drechslermeister Stöwesänd ,in der selben Straße. Beim holz- verarbeitenden Gewerbe litten auch Stellmacher nicht an Auftragsmangel. Man konnte Bestellungen dem Stellmachermeister Gustav Meeske (danach Stellmacher- und Karosseriebaumeister Erich Schultz) in der Friedrichstraße anvertrauen oder sich an Handwerksmeister Holitschke in der Karstädter Straße Iwenden. Immer wieder mach- ten sie in der Lokalpresse, auf ihr Leistungsangebot aufmerksam. So verwies z. B.
Gustav Meeske darauf, daß auch „Leiter-Kasten Handwagen in jeder' Größe aus bestem Material mit Patent-Achsen" zum Verkauf 1 yorhanden sind. Stellmachermeister Ernst Engel- mann eröffnete im Dezember ,1928 ein Geschäft Karosserie-Wagenbau in der Karstädter Straße.
Stellmacher waren insbesondere für die Landwirtschaft unentbehrlich,, schon in Hin- blick auf die umfangreichen Transporte. Noch in der ersten Hälfte unseres i Jahrhun- derts bestimmten die ; Ackerwagen - entsprechend der' Nutzung unterschiedlich aus- gerüstet - den Verkehr auf den Wirtschaftswegen und Straßen. Der älteren Generation ist noch bekannt, daß zum Ackerwagen Vorder» und Hintergestell gehörten, die durch eine lange Stange (Langboom) verbunden sind. Die genannten Gestelle bestehen jeweils aus der Achse mit den zwei Rädern und den auf der Achse befestigten Armen, die zwischen sich die Deichsel oder den Langbaum tragen. Weitere Teile bzw. Begriffe wie z.B. Achsfutter, Schemel, Wacht, Schwengel, Schere gehörten dazu. Heute kann man diese Zeugnisse der Handwerksmeister fast nur noch im Museum erleben, in Put- litz in der Anlage „Bauerngartenmuseum" am Hülsebecker Damm. Die Güter besaßen eine eigene Stellmacherei, wo die Meister Hermann Meeske (Philippshof) und Niklas (Burghof) ihr Handwerk bestens beherrschten.
Das holzverarbeitende Gewerbe war in Putlitz stark vertreten. Das bestätigt die Auf- nahme aus der Zeit vor etwa 70 Jahren. U. a. erkennt man (1. Reihe v. 1.) Friedrich Richter sen., Gustav Meeske, Hermann Meeske,, Martin Voß, Merten, Karl Knebel oder
z. B. Fr. Richter jun. (2. Reihe I 2. v. r.) und Erich Schultz 1 (o. Reihe. 2. v. 1.). Manchen
| Tischlermeister sah man am J Wirken wie z. B. Arno Berg 1 (Chausseestraße) und Meister Zirpke (später Textilge- schäft B. Schulz). An Konkurrenz fehlte es also nicht, auch nicht zur Zeit der Weimarer Republik. Da sah man manchen Handelsmann mit seinem Pferdefuhrwerk und der Ladung Holz vor den Tischlereien Bretter und Bohlen abladen. Wenn der Handwerksmeister in der Zeit der Inflation mit Getrei-
Die Innungen der Böttcher, Stellmacher und Tischler
So war das auch noch in unserem Jahrhundert. Die Tischlermeister Egon Voß und Rudi Richter führten ihre Handwerksbetriebe in der 3. Generation in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts. Ihre Väter und Großväter, Martin und Ferdinand Voß sowie Friedrich Richter (Sohn) und Friedrich Richter (Vater), hatten bereits zu Anfang des Jahrhunderts ein leistungsstarkes Angebot. Dies bezog sich u. a. auf Möbelproduktion und -verkauf, Bauausführung, Innenausbau, vielgestaltige Reparaturleistungen und Bereitstellung von Särgen. So manche Haustür, so manches Fenster wurde in den Firmen Richter und Voß gefertigt. Länger als 100 Jahre - die Bau- und Möbeltischlerei Voß wurde 1878 gegründet - begleiteten sie das Dienstleistungsangebot in der Stadt wie vorher weitere Berufskollegen, so Meister Kaatz oder z. B. Tischlermeister Freude, dessen Haus 1865 abbrannte.
Das Angebot dieses Berufsstandes gehört auch in der Gegenwart in der Stadt zum all- täglichen Leben, u. a. durch die Firmen Dahlenburg und Longolius. Schwieriger ist es schon, sich der früheren Bedeutung der Böttcher bewußt zu werden. Heute schmücken Butter und Pökelfaß Museen, kann man dort erstaunt zur Kenntnis nehmen, welche Vielfalt an Formen und Größen die „Holzwannen"-Mollen aufzeigen, unentbehrlich u. a. beim Schweineschlachten auf den Höfen. Früher gehörte die Dienstleistung des Bött- chers zum Tagesgeschehen. Man erinnert sich an Meister Merten, der vis-à-vis vom Bankgebäude in der Wilhelmstraße sein Domizil hatte, durch das Faß über der Ein- gangstür nicht zu übersehen. Wenn man vom Rathausplatz aus in die kurze Markt- straße geht, dann konnte man dort linkerhand noch 1996 ein kleines Fachwerkhaus sehen, in dem einst Böttchermeister Ziggel seine Werkstatt hatte. Nicht vergessen ist die einstige Dienstleistung von Böttchermeister Schulz in der Königstraße.
Zu nennen ist aus dem Handwerksbereich auch Meister Massow. Zeitweise teilte er sich den Innenhof in der Wilhelmstraße mit Schmiedemeister Schulz. Man erinnert sich an Drechslermeister Stöwesand in der selben Straße. Beim holzverarbeitenden Gewerbe litten auch Stellmacher nicht an Auftragsmangel. Man konnte Bestellungen dem Stellmachermeister Gustav Meeske (danach Stellmacher- und Karosseriebaumeis- ter Erich Schultz) in der Friedrichstraße anvertrauen oder sich an Handwerksmeister Holitschke in der Karstädter Straße wenden. Immer wieder machten sie in der Lokal- presse auf ihr Leistungsangebot aufmerksam. So verwies z. B. Gustav Meeske darauf, daß auch „Leiter-Kasten Handwagen in jeder Größe aus bestem Material mit Patent- Achsen" zum Verkauf vorhanden sind. Stellmachermeister Ernst Engelmann eröffnete im Dezember 1928 ein Geschäft Karosserie-Wagenbau in der Karstädter Straße.
Stellmacher waren insbesondere für die Landwirtschaft unentbehrlich, schon in Hinblick auf die umfangreichen Transporte. Noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts bestimmten die Ackerwagen - entsprechend der Nutzung unterschiedlich ausgerüstet - den Verkehr auf den Wirtschaftswegen und Straßen. Der älteren Generation ist noch bekannt, daß zum Ackerwagen Vorder- und Hintergestell gehörten, die durch eine lange Stange (Langboom) verbunden sind. Die genannten Gestelle bestehen jeweils aus der Achse mit den zwei Rädern und den auf der Achse befestigten Armen, die zwischen sich die Deichsel oder den Langbaum tragen. Weitere Teile bzw. Begriffe wie z. B. Achsfutter, Schemel, Wacht, Schwengel, Schere gehörten dazu. Heute kann man diese Zeugnisse der Handwerksmeister fast nur noch im Museum erleben, in Putlitz in der Anlage „Bauerngartenmuseum" am Hülsebecker Damm. Die Güter besaßen eine eigene Stellmacherei, wo die Meister Hermann Meeske (Philippshof) und Niklas (Burg- hof) ihr Handwerk bestens beherrschten.
Das holzverarbeitende Gewerbe war in Putlitz stark vertreten. Das bestätigt die Auf- nahme aus der Zeit vor etwa 70 Jahren. U. a. erkennt man (1. Reihe v. 1.) Friedrich Richter sen., Gustav Meeske, Hermann Meeske, Martin Voß, Merten, Karl Knebel oder
z. B. Fr. Richter jun. (2. Reihe 2. v. r.) und Erich Schultz (o. Reihe. 2. v. 1.). Manchen Tischlermeister sah man am Wirken wie z. B. Arno Berg (Chausseestraße) und Meister Zirpke (später Textilgeschäft B. Schulz). An Konkurrenz fehlte es also nicht, auch nicht zur Zeit der Weimarer Republik. Da sah man manchen Handelsmann mit seinem Pferdefuhrwerk und der Ladung Holz vor den Tischlereien Bretter und Bohlen abladen. Wenn der Handwerksmeister in der Zeit der Inflation mit Getreide bezahlte, dann war das in Ordnung. Und fehlte ein Beschlag, dann ging eine Karte an Leopoldi in Grabow (Mecklenburg), und rasch hat dann z. B. Spediteur Nagel das Expreßgut der Bahn zugestellt.
Die Handarbeit spielte einst eine viel größere Rolle. Das sollte schon was bedeuten, wenn als Gesellenstück vor einem dreiviertel Jahrhundert ein Vertiko u. a. mit zwei Türen, Schublade und Aufsatz vor allem mit Hilfe einer Vielzahl spezieller Hobel ent- stand. Zu der Zeit war es üblich, daß - wenn der Tischler den Fensterrahmen gefertigt hatte - der Maler in die Werkstatt kam und den Rahmen grundierte. Der Bauer holte das Produkt ab. Dann machte sich der Tischler per Fahrrad auf den Weg zum Einsetzen, gefolgt vom Glaser, und wieder kam der Maler zum Zuge. Stets haben die Meister und Gesellen des holzverarbeitenden Gewerbes ihrem Beruf alle Ehre gemacht. Mit der Eroberung der Siedlungsgebiete der Wenden östlich der Elbe durch deutsche Ritter und den Zustrom von Siedlern kamen auch die Priester und Missionare ins Land, wurden Kirchen und Klöster erbaut. Es kann davon ausgegangen werden, daß in Putlitz der erste Kirchenbau auf dem heutigen Kirchenplatz erfolgt ist, daß hier vor der Refor- mation Priester ihren Dienst ausübten. Daten über die ältesten Sakralbauten konnten nicht ermittelt werden. Es ist wohl verständlich, daß nach jedem verheerenden Brand Bemühungen begannen, die eingeäscherte Kirche wieder zu errichten. So erfolgte auch 1692 ein Sakralbau, der in der Folgezeit mehrere Male verändert wurde. Bis zum Bau der heutigen Kirche vergingen dann noch mehr als 1150 Jahre. In dem Nachbarort Mansfeld kann heute noch eine sogenannte Notkirche aus der Zeit nach dem 30-jähri- gen Krieg besichtigt werden. Mancher Sakralbau bot zu jener Zeit diesen Anblick. Von Anbeginn unterstand die Herrschaft Putlitz und damit ebenfalls die Stadt dem Bischof von Havelberg. Das geistige Oberhaupt der Prignitz verfügte über einen mächtigen Grundbesitz. Dazu zählten u. a. die Einkünfte aus den Tafelgütern Wittstock und Zech- lin, vielen umliegenden Dörfern, die Plattenburg mit Wilsnack und angrenzenden Ortschaften und zahlreiche Pachtgüter. L. Lehmann spricht von 30 adligen Geschlech- tern sowie von Bürgerfamilien, städtischen Kommunen und Dorfschulzen, die in alten Urkunden als Pächter und Vasallen erwähnt werden. Von den Untertanen, von den Gläubigen ergaben sich beträchtliche Einkünfte, u. a. durch den Bischofszehnt, Prokur ationsgelder oder z. B. durch die Beden. Hierbei handelt es sich um Geldopfer, die bei besonderen Anlässen die Gemeinden aufzubringen hatten. Dem Bischof standen die 16 Domherren vom Domkapitel von Havelberg zur Seite, mit dem Dompropst und Dechan- ten an der Spitze. Der riesige Besitz erforderte eine zahlreiche Beamtenschaft. Schon frühzeitig war Putlitz der Sitz eines katholischen Propstes. Ihm unterstanden Dorfprie- ster,' Vikare, Altaristen und Meßdiener. An der untersten Stufe der Leiter befand sich der Gläubige in den Dörfern, in den Städten, der für den „Überbau", für den geistlichen Stand und die weltlichen Herren aufzukommen hatte. Dies traf ebenfalls für den Orts- geistlichen zu, so Abgaben in Naturalien oder Arbeitsleistungen. Wie groß war wohl die Zahl der niederen Geistlichkeit im Lehnsbereich der Putlitze? Nicht alle Kapellen, kirch- liche Einrichtungen sind überliefert worden, keine war ohne Priester bzw. kirchliche
„Diener und Knechte". Jede Kapelle hatte einen besonderen Geistlichen. Sie .galt es zu versorgen, sie erwarteten Geldabgaben, Kornlieferungen, die Zinsen an die Pfarreien, und sie waren alle eingeschlossen in den besonderen Schutz des Lehnsherrn. Aus der Geschichte der Stadt Putlitz ist eine kirchliche Stiftung überliefert, die den Namen St. Jürgen führte. Nähere Angaben darüber sind in den zugänglichen Veröffentlichungen nicht gegeben. Der Propst von Putlitz hatte fürwahr einen großen Verant- wortungsbereich, der zeitweise von Meyenburg im Osten bis zur heutigen meck- lenburgischen Stadt Grabow im Westen reichte und im Süden bis Wittenberge. Es ist bekannt, daß sich die Besitzverhältnisse der Familie Gans immer wieder änderten und damit ebenfalls der Zuständigkeitsbereich des Geistlichen. In der päpstlichen Kirche zeigten sich in der Prignitz im frühen Mittelalter unverständliche Entwicklungen. Dieser Tendenz suchte ein Gans Edler Herr zu Putlitz entgegenzusteuern. Wedigo, der von 1460 bis 1487 Bischof in Havelberg war, gehört unter den 36 Bischöfen des bis 1571 existierenden Bistums zu den herausragenden Persönlichkeiten. Nachfolgende Dokumente geben Auskunft darüber, wie er die kirchlichen Zustände ordnen wollte: 1464 über die Früchte und deren Ablieferung aus den geistlichen Lehen; 1464 über Testamente von Geistlichen, Absolution von Excommuni- zierten Gesindelohn und Kir- chenbibliotheken; 1469 über die Freiheit der Geistlichen von Gemeindediensten; 1471 über das Gnadenjahr. Dazu zählen ebenfalls Bestimmungen zu „Über die Prüfung de- rer, welche die Ordination begehren (1469), über die geziemende Tracht der Geistlichen in der Havelberger Diözese (1474)" oder z. B. „Verordnung an die Geistlichen, die Hals- binde und die Stiefel wieder anzulegen". Es war zu einer großen Nachlässigkeit im geistlichen Stand gekommen. Priester erschienen ohne die althergebrachte Halsbinde, barfuß zum Gottesdienst, und in den Kirchen wurde an den Festtagen viel Unfug getrie- ben, wurde die Stätte zu einem Belustigungsort. Manche Gottesdiener erschienen mit ihrem Jagdvogel auf der Schulter zum Gottesdienst. Das wurde ihnen bei einer Strafe von 2 Mark Silbers verboten. Die Erlasse von Wedego zeugen von einer guten Kenntnis der damaligen Verhältnisse in der katholischen Kirche.
Der Kurfürst Joachim II. traf nach seinem endgültigen Regierungsantritt am
15. Mai 1536 in Havelberg ein. Nach althergebrachter Sitte nahm er die Huldigung des Bischofs entgegen. Zu seiner Begleitung gehörte u. a. der Erbmarschall Johann zu Put- litz. Den strenggläubigen katholischen Bischof mag es erfreut haben, als der Kurfürst bis zum Al- tarraum schritt, das Marienbild vom Hochaltar aufnahm und dann gelobte, die bi- ächöfliche Stiftskirche in ih- ren Privilegien und Eigentu- me zu schützen. Doch alle Teilnehmer waren sicherlich davon unterrichtet, daß zu dem Zeitpunkte die Lutheri- sche Lehre in der Kurmark schon viele Anhänger gefunden hatte.
Bereits am 1. November 1539 ließ sich der junge Kurfürst in der Nikolaikirche zu Span- dau mit seinem Hofstaate von dem Freunde Luthers, dem evangelisch gesinnten Bischof von Brandenburg, das heilige Abendmahl nach lutherischer Weise reichen. Die Reformation setzte sich auch in der Prignitz durch. Es ist bekannt, daß wirtschaftliche Gründe den Übertritt zur neuen Lehre begünstigten. So führte der Putlitzer Grundherr Prozesse mit Marienfließ, die sich von 1550 bis 1769 hinzogen. Den Übertritt der Adli- gen zum neuen Glauben werden auch die meisten Geistlichen vollzogen haben, sicher- lich auch der in Putlitz wirkende katholische Propst Vinzens Zeddin, der 1545 verstor- ben ist. Die Gläubigen, ob Landmann oder Bürger, hatten weiter ihre Abgaben und Frondienste zu bringen.
Die Putlitzer Musiker konnten nicht nur spielen
In den 20er und zu Beginn der 30er Jahre gab es für die hauptberuflichen Musiker in Putlitz unter dem Dirigentenstab von Meißner bzw. seinem Nachfolger Hallek eine ernsthafte Konkurrenz. So entnahmen die Prignitzer des öfteren aus den „Putlitzer Nachrichten", daß die Musikvereinigung Putlitz jung und alt zum Tanz einlädt. Den Gastwirten war bekannt, daß die jungen Burschen der Kapelle selbst mit Hand anlegten, wenn es um die Ausschmückung des Saales ging. Dazu zählte zum Beispiel das Frühlingsfest in der Gaststätte Garlipp. Junge Birkenbäume wurden aufgestellt, überall Grünes im Tanzsaal.
Putlitzer haben Putlitzer und den Gästen der Prignitzstadt fröhliche Stunden beschert. Unser Bilddokument aus der Zeit vor etwa 60 Jahren ist erhalten geblieben. In der hinteren Reihe sind Bernhard Thätner, Alwin Rose aus Pirow-Busch, Ewald Grabow, Hans Thoms, Joseph Grotofiel und der einzige Berufsmusiker Otto Gießel aus Frehne zu sehen. Sie fanden die Zeit, nach dem harten Arbeitstag einen Teil ihrer begrenzten Freizeit der Musik zu widmen. Der genannte Mitstreiter mit dem Namen Joseph kam aus dem südlichen Gefilde. Der beliebte Musikus aus Bayern fand damals Arbeit und Brot bei dem Kaufmann Haker. Die weiteren Musikanten (von links): Tischler Löwe, Bankmitarbeiter Gerhard Jaros, Fleischer Alwin Höger, die Klavierspielerin Luci Schmälzlein, Schneidermeister Ehrich und ein Tischlergeselle von Egon Voß. Nun fehlt nur noch Schmiedemeister Ludwig Eisermann.
Die Streichinstrumente waren in der Überzahl. Auch der hochbetagte Hans Thoms, der als einziges Mitglied heute noch in Putlitz wohnt, hat außer dem Banjo noch die Geige gespielt. Der Wahlputlitzer Grotofiel aus dem Alpenland verstand es meisterhaft, sein Saxophon zur Geltung zu bringen. Das kann auch Trompeter Otto Gießel gesagt werden. Am Tage hat der Schlagzeuger Gerhard Jaros auf der Bank manchen Geld- betrag hin- und her bewegt, doch bei seinen Musikfreunden kam es darauf an, zur rech- ten Zeit gefühlvoll die Trommeln zu schlagen.
Ob Geiger, Schlagzeuger oder Blechinstrumentvirtuose, sie alle sorgten sich immer wieder um ihre Luci Schmälzlein. Mit 17 Jahren war sie bereits dabei, kam regelmäßig zu den Proben, entlockte den weißen und schwarzen Tasten die geforderten Töne und engagierte sich bei den Musikveranstaltungen in der Heimatstadt und in den Dörfern der Ost- und Westprignitz. Geprobt wurde regelmäßig, und zwar in der Gaststätte Schumacher. Jahrzehntelang hing im Gastraum das Bild der Musikvereinigung.
Die gute Kameradschaft zeigte sich bei vielen Gelegenheiten. Bei vielen Auftritten beweis sich der hohe Gebrauchswert der Fahrräder. Die kleine Kolonne begab sich dann mit den sorgfältig verpackten Musikinstrumenten nach Telschow oder Nettelbeck, oder es ging den Kirchweg entlang in Richtung Lütkendorf. Entscheidend für die hohe Einsatzbereitschaft in den Dörfern der West- und Ostprignitz war aber das Können des aktiven Siegfried. Es wird erzählt, daß der Mitarbeiter von Kaufmann Schulz an der Kar- städter Straße das ausrangierte Taxifahrzeug wieder fahrbereit machte und nun mit diesem Gefährt den lustigen Musikanten dienen konnte. Auf das Dach kam die Trom- mel, und dann haben sich bis sechs Musikfans mit ihren Instrumenten in das Innere des Automobils gezwängt.
Ob Erntefest oder Sportlerball - die Putlitzer Musikvereinigung hat mit ihren flotten Melodien aufgespielt und so vielen Prignitzern frohe Stunden gegeben.
Die Putlitzer Sägerei bot eins viele Arbeitsplätze
Auffällig ist schon das Grundstück Nr. 4 in der Perleberger Straße - durch seine Flä- chengröße und das villenähnliche Wohnhaus. Den Putlitzern ist bekannt, daß hier noch Anfang der 60er Jahre eine Sägerei bestand. Es sollte gesagt werden, daß zu Beginn des Jahrhunderts auf dem Grundstück Ecke Chausseestraße/Kiebitzberg (heute Wohn- block und SAL-Gebäude) bereits eine Schneidemühle (zusätzlich Motorschrotmühle) vom Besitzer Appel geführt wurde. Durch einen Unfall ist er früh verstorben. Die Witwe heiratete Carl Muß. Dieser hat später den Betrieb von Zimmermann Weithe in der Perleberger Straße gekauft.
Der Sägereiinhaber Carl Muß konnte 1928 auf ein 25 jähriges Geschäftsjubiläum zurückblicken. Er stellte sich der Allgemeinheit zur Verfügung: als Mitglied des Stadtverordnetenkollegiums, Ehrenmitglied des MTV und Zugführer der Freiwilligen Feuerwehr. Später wurde der Betrieb durch die Witwe Muß (bis 1959 Eigentümerin) und ihrem Sohn Karl Appel weitergeführt.
Vieles läßt sich über die Sägerei berichten, wie z. B. aus dem ersten Jahrzehnt nach dem zweiten Weltkrieg. Auf dem großen Firmengrundstück wurden die langen Baum- stämme aus den Prignitzer Wäldern abgeladen. Die Bauern waren zum Transport verpflichtet.
Längenzuschnitt per Muskelkraft
Im Drei-Schicht-System waren etwa 30 bis 50 Leute in der Sägerei tätig. Per Mus- kelkraft wurden die Baumriesen auf die gewünschte Länge zugeschnitten. Nach dem Entborken warteten in der Halle die Maschinenbesatzungen auf ihren Einsatz.
Auf dem Hof wurden dann die fertigen Hohlen, Bretter, Balken, Eisenbahnschwellen und Latten bis in sechs Meter Höhe gestapelt.
Im Hauptraum bestimmten die Kreissäge, das Vollgatter mit seinen vertikalen Sägeblät- tern und das horizontale Niedergatter das Geschehen. Links im Nebenraum der großen Halle stand die von den Heizern Hermann Kludas und Rudolf Thurmann gut bediente Dampfmaschine. Aber auch die Maschinisten Schleif und Quappe, Erhard Tiede aus Tacken und Heinz Feige aus Putlitz betreuten sie vorsorglich. Es war ja auch die Zeit der Stromsperren. Wenn die Elektroenergie „floß", dann wurden nachts die Maschinen mit Strom, angetrieben. Die Werksirene kündete auch von der Mittagspause.
Unmittelbar nach Kriegsende traf Major Biortowski aus Karlshorst wiederholt in Putlitz ein. Mit seinem Kraftfahrer nahm er manchmal bei Modewarenhausbesitzer Höpke Quartier. Es kam auch vor, daß er nachts zur Kontrolle und zur Vereinbarung auf dem Betriebsgelände erschien. Der Major forderte des öfteren zur Konferenz der etwa 15 Sägereibesitzer aus der Westprignitz auf. So war denn z. B. auch der Unternehmer Vierecke aus Karstädt zu Gast.
Nach dem Frühstück und dem Umtrunk mit Selbstgebranntem Schnaps konnte zur Abnahme der Materialien geschritten werden. Manche Abmachung mit der Roten Armee traf Holzhändler Heitmann aus Wittenberge. Er hatte die Fäden in der Hand, lei- tete die Aufträge zur Perleberger Straße, arrangierte auch die Geldbewegungen in Richtung Putlitz. Hier mußte immer wieder der Buchhalter Kurt Krüger (1946 bis 1959) das Betriebsgeschehen in Schwung halten.
Holz in den Osten geschickt
Unzählige Waggonladungen wurden von Putlitz aus auf die Reise in Richtung Hafen Rostock, Berlin und dann weiter nach Osten geschickt, nicht nur Eisenbahnschwellen, Kanthölzer oder z. B. Bretter, sogar große Ladungen Sägespäne. Kleine Mengen vom letzteren fanden in dem durch Karl Appel umgerüsteten Kanonenofen ihren Einsatz. Es wurde ein Rohr in den Ofen gestellt, ringsherum davon die Sägespäne reingestampft, das Rohr wieder entfernt und dann die Späne unter Feuer gesetzt. So spendete die Anlage wohltuende Wärme. Vergessen wir nicht die Laubholzspäne, die in so mancher Räucherkammer nicht nur der Mettwurst „Aroma" verpaßten. Nach dem Krieg fand alles Verwendung, ob Schalenbretter, Borke oder kleine Holzabfälle - für alles gab es eine Feuerungsanlage.
Zu Beginn der 60er Jahre begann auf dem früheren Sägereigelände an der Perleberger Straße die Betriebsgeschichte der ZBO Putlitz. Heute hat hier der Baubetrieb Bäker seinen Standort.
Die Waagestraße - Geschäftstradition im Wandel der Zeit
Der Besucher wird mit der Ansichtskarte aus den 20er Jahren (siehe Abbildung) beim
„Bummeln" durch Putlitz auch heute darin die Waagestraße erkennen. Links auf dem Foto zeigt sich die hintere „Front" des Bankgebäudes (Hof vom Rathaus nicht erfaßt), stets für Wohnraum und Geschäftsniederlassung genutzt, auf der anderen Straßenseite erkennt man die beiden übrigen Wohnhäuser. Das noch im Hintergrund festgehaltene frühere Fachwerkhaus der Fotografin Öneke gehörte damals zur Wilhelmstraße.
Bereits im vorigen Jahrhundert sind die Bürger mit Karre und Wagen in diese Straße gekommen, um das Gewicht größerer und kleinerer Mengen zu ermitteln. Gewogen mit der Rathauswaage, das hatte „Gewicht". Wie das Foto dokumentiert, hat hier einst Paul Seemann den Putlitzer Ackerbürgern und den Bauern aus den umliegenden Dörfern mit seinem Angebot an landwirtschaftlichen Maschinen zu Diensten gestanden. Das breite Schiebefenster war äußerst praktisch, schnell konnten Ackergeräte am Straßenrand zur Schau gestellt und verkaufte Maschinen bequem aufgeladen werden. Viele Käufer haben beachtet, daß zum Service der Firma die Reparaturwerkstatt gehörte.
Morgens ratterte der Traktor
Als in Putlitz die Versorgung der Gehöfte mit Pumpen und Wasserleitungen an Bedeu- tung gewann, hat der Betrieb auf diesem Sektor verstärkt seinen Service angeboten. Es konnte schon vermerkt werden, daß das Betreiben der Landwirtschaft fast stets da- zugehörte. So kam es dann vor, daß auch im Stadtzentrum, in der Waagestraße, in aller Herrgottsfrühe ein Traktor an zu rattern fing und sich auf den Weg zum Feld machte, sicherlich von den Anwohnern mit unterschiedlichen Gefühlen zur Kenntnis genommen.
Manch Prignitzer kehrte in das Nachbarhaus mit dem spitzen Dachgiebel, dem großen Schaufenster und wie das Foto zeigt mit der Firmenaufschrift Fritz Glaser ein. Dieses Haus erlebte eine wechselvolle Geschichte. Unter anderem hat hier einst der Viehhänd- ler Genske sein Domizil gehabt. Man erinnert sich daran, daß hier ein Barbier sein meisterhaftes Können unter Beweis stellte, der auch so manchen quälenden Zahn zog. Das Geschäft von Fritz Glaser in der Waagestraße Nummer 2 haben unter anderem die Anhänger des „blauen Dunstes" aufgesucht. Es bestand die Qual der Wahl zwischen dem großen Angebot an Zigarren, Stumpen oder Zigarillos der führenden deutschen Hersteller und der mit ihnen konkurrierenden türkischen und englischen Sorten, auch der Virginia-Zigaretten. Ab drei Pfennig konnte der Einkauf beginnen. Es gab das Angebot „Smök mol iers taun probieren".
Ach, etwas ist heute ganz aus der Mode gekommen, damals hat es viele Putlitzer zum freundlichen Ladeninhaber geführt: das Genießen der Schnupf- und der unter Kennern beliebten Kautabake. Es war noch die Zeit, als insbesondere die älteren Herren den Priem gekonnt von der einen Seite des Gaumens zur anderen Seite schoben. Doch leider kam es zum Ärger der Hausfrau vor, daß der Mann den Kautabak zum Schluß des Aktes vollkommen unplaziert im Haus plazierte.
Sprechapparate und Instrumente
Manch Kunde interessierte sich unter anderem für die modernen Sprechapparate in der Preislage von 3,80 Mark bis 350 Mark. In diesem Geschäft gegenüber vom Bankverein drangen aber auch des öfteren Töne von verschiedenen Musikinstrumenten nach drau- ßen. Hier warteten Wald- und Geigenzither, Mandolas, Bobesse, Lauten und Mando- linen auf ihre Liebhaber, insbesondere die begehrten Hand- und Mundharmonikas.
Plötzlich war alles vorbei, als 1936 die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu groß ge- worden waren. Und vierzig Jahre später hatte bereits durch Rundfunk- und Fern- sehmechanikermeister Dieter Repphuhn in Putlitzer Waagestraße Nummer 2 eine neue Geschäftstradition begonnen.
Nach dem 1991 erfolgten Umbau zeigt die Präsentation der Produkte der Unter- haltungselektronik eine noch umfangreichere Vielfalt einschließlich der Technik für die Telekommunikation und der Computer für den „home„-Bereich.
Die Zeppelinscheune - eine besondere unter vielen
Die Enge hinter der Stadtmauer führte dazu, daß die Bürger vor den Toren Scheunen gebaut haben. Schaut man sich am Lindengang um, dann erblickt man wie vor mehr als 100 Jahren Scheune an Scheune. In Blickrichtung Schinderweg gleichen sich linker- hand einige Scheunen wie Schwestern, schön anzuschauen, insbesondere durch die vom Baumeister verwendeten Natursteine. Fast jede Familie hatte mit Landwirtschaft zu tun. Am Lindenweg zeigt sich, daß auch die Handwerksmeister nebenbei als Landwirte tätig waren. Ältere Einwohner erinnern sich daran, daß z. B. Drechsler Stöwesand, die Gastwirte Schumacher, Neubauer bzw. R. Schmidt, Bäckermeister Thätner, Viehhändler Genenz, Fleischermeister Genske, Tischlermeister Richter hier einst ihre Ernte einge- fahren haben.
An der einen Giebelseite hat ein früherer Eigentümer eine Nachricht hinterlassen.
Man liest „P. K. 1909". In dem Jahr hat Fleischermeister Paul Kolpin von der Kö- nigstraße hier eine Scheune aufbauen lassen. Allzu oft wurden Scheunen durch Flam- men vernichtet. Wieviel Mühe bereitete der Neuaufbau! So waren z. B. für die Einde- ckung eines normalen Daches mehr als 200 Zentner Stroh erforderlich. Und so hat manch Rohrhändler noch im vorigen Jahrhundert „Dachstroh" zum Kauf angeboten.
Eine Nachricht über einen Scheunenbrand ist anschaulich von Landwirt Bartels für die nächsten Generationen festgehalten worden. Heute noch kann man also neben dem großen Scheunentor lesen, daß das Unglück vor mehr als 100 Jahren die Scheunen am Lindenweg erfaßte und, wie an anderer Stelle erwähnt, 28 Gebäude vernichtete. Sicherlich ist es Bartels mit zu verdanken, daß sein früheres Wohnhaus an der Ampel- anlage heute noch einen Spruch im Hausbalken aufweist. Am Wall beweisen ebenfalls Scheunen die Verwendung von Granitsteinen zum Bau der Wirtschaftsgebäude. Das trifft auch für die Putlitzer Gutsscheunen zu. Auch aus dieser Sicht sind sie „Schwes- tern". In erster Linie spricht für diese Wortwahl allerdings die Nutzung für die Einbrin- gung und Lagerung der Ernte.
Mit den Putlitzer Gutsscheunen konnte in der Größe kein Wirtschaftsgebäude der Bürger mithalten. Doch auch hier ragte eine heraus, eben die Zeppelinscheune an der Parchimer Chaussee, gegenüber vom Philippshof. Behauptet wird, daß sie einst in die Stepenitzstadt „versetzt" wurde. Vom Alter her kann sie mit der Scheune von Bartels nicht mithalten. Sie blickte 1995 erst auf sieben Jahrzehnte zurück. Doch ihre Ausmaße beeindrucken. Vom Sockel aus ergibt sich eine Höhe von zwölf Metern. Einst waren an jeder Längsseite auf 40 Metern fünf Tore verteilt, und auf einer der Dielen stand die wuchtige Stahl-Lanz-Dreschmaschine.
Auch die Häckselmaschine hatte an der Stirnseite ihren Platz. Wie oft eilten die Ta- gelöhner bzw. die Gutsarbeiter, deren Ehefrauen, Töchter und Söhne zur Zeppelin- scheune, um das Getreide einzulagern und dann im Winter zu dreschen. Auch die Breite von 20,42 Meter wurde für die Schichtung des Getreides voll genutzt. Auf das Dreschen haben sich die Jungen vom Philippshof gefreut. Vor allem, wenn die letzten Garbenschichten aufgehoben wurden, haben sie sich als Mäusejäger betätigt. Dafür gab es die Prämie. Einmal brachten es die gewandten Jäger auf einen Betrag von 35
Mark, ausgezahlt aus der Kasse des Barons. Über diese Tatsache war selbst der Guts- herr bei seiner Rückkehr von der Reise sehr überrascht.
Wie gesagt, die Zeppelinscheune überragte alle anderen, auch die des Burghofes. Hier- bei geht es nicht um Ausmaße, gemeint ist die besondere Bauweise, eben die ein- malige Lamellenkonstruktion des sich selbst tragenden Daches. Die Bauweise des Konstrukteurs Achim Zolldinger hat sich auch in Putlitz bestens bewährt. Auch in der Gegenwart ist kein einziger tragender Balken bzw. Holzpfeiler in dem großen Gebäude zu finden, im Unterschied zu allen anderen Scheunen in Putlitz. Und etwas besonderes im Vergleich zu allen anderen ist auch noch festzuhalten. Nach der Wende wurde das Gebäude zeitweilig als Einkaufszentrum genutzt. Und welcher Putlitzer könnte heute angeben, wie oft jung und alt bis in die Gegenwart auf der „Diele" das Tanzbein geschwungen haben? Doch von der Inanspruchnahme her gab es über viele Jahr- zehnte keinen Unterschied, waren sie „Schwestern".
Ein Brausebad beim Badewärter
Putlitz ohne Badeanstalt, nein, das möchte man nicht ins Kalkül ziehen. Das heutige Schwimmbecken kann auf mehr als vier Jahrzehnte zurückblicken, das vorherige, einst von Holzbohlen begrenzte, wurde rund ein Vierteljahrhundert genutzt. Der Gedenkstein im Putlitzer Schwimmbad weist heute noch auf das Einweihungsjahr der am Stepenitzufer gelegenen Freizeitanlage hin. Bekannt ist, daß der Putlitzer Handwerks- meister Alfred Stilke die Geschichte des Heimatortes mitgeschrieben hat, insbesondere durch seine Tätigkeit als Badewärter. In der Epoche der Weimarer Republik haben Put- litzer Mädchen und Jungen unter seiner Obhut das Schwimmen gelernt. Engagiert hatte sich der Badewärter bereits für den Bau des Schwimmbeckens. Ihm ist so manch ein Wettkampf zu verdanken. Sicherlich hat es ihn mit Freude erfüllt, als im Juli 1928 die städtischen Körperschaften den Erwerb eines technischen Gerätes beschlossen haben.
Pumpe auch von Feuerwehr genutzt
Für das Pumpenaggregat (3,5 PS Elektromotor mit gekuppelter Kreiselpumpe von 1200 Liter Minutenleistung bei acht Meter Hubhöhe) mußte ein Betrag von 875 Mark gezahlt werden. Die Kosten wurden je zur Hälfte von der Kämmereikasse und dem Elektrizitäts- werk getragen. Hiermit wurde man öffentlichen Anforderungen gerecht. Eine zentrale Vorschrift verlangte die jährliche Entleerung und Säuberung des Beckens. Nur dann konnte man die Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen. Die Stadtväter hatten bei diesem Erwerb auch ins Auge gefaßt, daß die maschinelle Anlage von der FFW des Ortes bei Feuer eingesetzt werden konnte.
Ein Zeugnis aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts gehört gegenwärtig noch zum Terrain der Badeanstalt, eben das Holzhaus des Badewärters Stilke. Der Putlitzer hat im Juli 1928 folgende Annonce veröffentlicht: „Empfehle meine Warmwasserba- deanstalt zur gefälligen Benutzung. Sonnabends 1 Uhr nachmittags, sonntags ab 7 Uhr". Es ist nicht bekannt, ob das große Schwimmbekken zu beheizen versucht wurde. Zur Zeit Stilkes lag die Anlage wesentlich tiefer, und so wurde durch Unterstützung des Flußwehres Stepenitzwasser in das Becken geleitet, und damit auch so mancher Fisch. Erzählt wird, daß auch nach 1945 beim Säubern des Beckens das „Aalfangen" dazuge- hörte.
Trotz der getroffenen Feststellung unterbreitete der Putlitzer das Angebot der „Warm- wasserbadeanstalt". Diese befand sich im Haus des Badewärters. Von
der Hausgiebel- seite in Richtung Bad gab es den Zugang zum Keller. Da gab es den großen Wasch- kessel, den Herd und später die Leitungen. Nicht alltäglich: Im Keller findet man einen Brunnen, eine Pumpe. Hier wird man den Badewärter und seine Frau fleißig am Wirken gesehen haben, hat man aus der Erde viel Wasser emporgeholt. Vor 70 Jahren werden sich also Putlitzer in das Haus des Badewärters begeben haben, um sein Angebot in Anspruch zu nehmen. Wer hatte damals schon ein Badezimmer, eine Brausevorrich- tung! Bei Stilkes im Keller konnten Erwachsene für l Mark in ein wohltemperiertes Wannenbad steigen. Den Kindern wurde dieses Vergnügen für 50 Pfennige zubereitet. Wer bei diesem Wonneerlebnis knausern wollte, der gab sich mit einem Brausebad für
40 Pfennige zufrieden. Aber eines war Gesetz: nur mit Badeanzug. Das soeben geschilderte Geschehen rechtfertigte also die Verlautbarung „Empfehle meine Warmwasserbadeanstalt zur gefälligen Benutzung." Doch auf dem Grundstück des Badewärters standen den Putlitzern noch mehr Dienstleistungen zur Verfügung. So gab es die Terrasse mit dem herrlichen Blick in Richtung Badeanstalt, bei einer Tasse Kaffee war das fröhliche Treiben wunderbar zu überblicken. Und dann die empfohlenen
„Medizinischen Bäder". Stilke garantierte, daß bestellte Bäder zur vereinbarten Zeit in Anspruch genommen werden können. Ob auch die Putlitzer Ärzte, Dr. Krieger und Dr. Talke, zur Zeit der Weimarer Republik ihren Patienten einen entsprechenden Tip gegeben haben? Erwähnt werden darf in diesem Zusammenhang, daß elf Jahre nach der genannten Annonce Bürgermeister Dr. Berger öffentlich erklärte, daß die Stadt
„bald" ein Volksbad mit Brause- und Wannenbädern haben wird. Die folgende Zeit sollte eine andere Geschichte schreiben.
Eine Kaserne, die es nicht mehr gibt.
Bei dem Wort „Kaserne" denkt man unwillkürlich an ein langgestrecktes Gebäude, Zimmer an Zimmer und an viele junge Burschen in Uniform. Gemeint ist aber ein einst unauffälliges Haus, das bis 1979 gegenüber dem Herrensitz des Burghofer Barons an der Meyenburger Chaussee seinen Standort hatte und nie die Befehle eines Feld- webels erlebte. Hier haben über viele Jahrzehnte junge Menschen eine Bleibe gefunden in der Schnitterkaserne.
Putlitzern ist noch in Erinnerung, daß Baron Gebhard - manchmal in Begleitung des Vorarbeiters Tietz - sich nach Schlesien begab und dort neue Saisonkräfte verpflichtete. So erzählte ein Putlitzer, daß er sich Anfang der 30er Jahre in Niederschlesien bei der Behörde meldete und so zu einem Arbeitsplatz in Putlitz kam. Etwa 20 Schnitter halfen auf dem Burghofer Gut vor allem in der Feld- und Viehwirtschaft.
In dem Haus an der Meyenburger Straße hatte parterre der Vorarbeiter Tietz seine Wohnung, und dazu gab es einen größeren Küchenraum. Für eine kleine Waschküche war ebenfalls noch Platz. In den zwei Giebelzimmern und den drei Räumen unterm Dach nahmen die Arbeitskräfte aus Schlesien Quartier. Es gab wohl keinen zweiten gutseigenen Schornstein, der so stark beansprucht wurde. Die Frau des Vorarbeiters stand hier an einem langen Grudeherd, in dem das Feuer fast nicht zum Erlöschen kam. Da reihte sich in der Mittagszeit Topf an Topf mit den verschiedensten Gerichten. Tags zuvor hatten die Schnitterinnen bei Paul Haker in der Friedrichstraße den Einkauf getätigt, und so konnte denn alles kochen, brutzeln, gar werden.
Im Herbst war es für die Putlitzer nichts Besonderes, wenn ein kleines Gefährt, gezogen von einem Pony, in Richtung Feldmark startete, im Stroh die vielgestaltigen Töpfe und Gefäße. Dann saßen die Kartoffelbuddler beim Essen am Feldrain, auch am Trappen- berg. Den Landarbeitern schmeckte das herbeigebrachte Mittagessen bestens, harte Knochenarbeit war vorher geleistet worden. Abends nach getaner Arbeit haben die Saisonarbeiter individuell ihr Abendbrot zubereitet. In den 20er und 30er Jahren war hier so mancher Arbeiter aus dem Osten untergebracht, ebenfalls in der Alten Post und dem angrenzenden Gebäude.
Nach Feierabend herrschte oft Frohsinn und Heiterkeit, und auch hier weit ab der Alm wurde „gefensterlt", kein Wunder bei all der Jugend. Doch als bei einem Einstieg ins Zimmer der Liebsten der zum Mobiliar gehörende große rote Adler zu Bruch ging, da hat es ungewünschtes Aufsehen erregt.
Es sollte auch gesagt werden, daß die Putlitzer Arbeitgeber - so auch der Philipps- hofer und Burghofer Baron - durch ihre Betriebe Brot und Verdienst ermöglichten. Was für eine Freude für Eltern und Familienangehörige, wenn die Schnitter mit ihrem Lohn in die Heimat zurückkehrten, dorthin, wo eine noch größere Arbeitslosigkeit als in der Prig- nitz herrschte. Das erzählte mir ein Schnitter aus seiner Zeit in Putlitz.
Schnitter beschäftigten nicht nur die Gutsbesitzer wie nachfolgende Annonce vom Juli 1925 beweist: „Suche zwei Schnitter mit ordnungsgemäßen Papieren und einen älteren zuverlässigen Knecht. W. Meeser, Triglitz".
Über viele Jahrzehnte gehörten Schnitter und Schnitterinnen zu Putlitz dazu. Heute noch künden Familiennamen aus dieser Epoche. Die Schnitterinnen und Schnitter haben durch ihren Fleiß zur Entwicklung der Prignitz beigetragen.
Eine Wahrsagung sollte sich bestätigen
Folgt man der Karstädter Chaussee, vorbei an Konikow und dem Putlitzer Ortsteil Karls- hof, dann erblickt man beiderseits der Straße ein Waldgebiet, welches auf den Flur- karten zur Putlitzer Heide bzw. Stadtheide zugeordnet wird. Rechter Hand verläuft ein Weg entlang des Waldrandes und damit in Richtung Hohe Brücke. Eine Weiterfahrt nach Burow oder Hülsebeck ist möglich.
Von der Asphaltstraße aus kann man aber auch Linker- Hand in die Stadtheide abfahren. Am Endpunkt des einen Weges sieht man in 100 Meter Entfernung eine große Eiche. Sie steht am Rande einer verwilderten fast kreisrunden Fläche. Schaut man sich um, dann wird man erstaunt feststellen, daß hier in der Feldflur an der Über- landleitung einst eine „Zapfstelle" für Strom installiert war. Achtet man auf die herumlie- genden kantigen Felsen, auf Reste eines wuchtigen Fundaments, dann ist die Schluss- folgerung verständlich: Dort standen Gebäude. Es handelt sich um einen wüsten Wohn- platz unserer Zeit.
Ortskundige wissen, hier herrschte noch vor einem halben Jahrhundert reges Treiben, eilten Mägde und Knechte in die Stallungen, wurde mancher Erntewagen eingefahren. Auch Kinder sah man zu diesem Gehöft eilen, hier mit Schwamm und Tafel hantieren. Davon wird an anderer Stelle berichtet. Schon vor der Jahrhundertwende haben sich die Putlitzer Abgeordneten mit diesem „einsamen" Wohnplatz in der Putlitzer Stadt- heide, auf der linken Seite der Karstädter Chaussee, befaßt, mit dem Putlitzer Stadtgut. Einst gab es ein großes Wohnhaus mit wuchtigen Findlingen im Fundament, mit beachtlichen Kellerräumen, einer fast herrschaftlichen Auffahrt, die seitwärts vom Rin- derstall und einer Scheune begrenzt wurde. Hinter dem Wohngebäude gab es einen weiteren Stall.
Manchen Wirtschafter hat das Gut gesehen. Aber auch hier war Geselligkeit kein Fremdwort. So feierte man z. B. am 24. September 1927 ausgelassen das Erntefest. Es begann mit einem Umzug mit der Erntekrone und Musik über Pirow Ausbau, Stadthof und Siedlung Burow. Der Umzug dauerte fast zwei Stunden. Danach gab es Kaffee und Kuchen, und abends schloß sich für alle ein schwungvolles Tanzen und Schunkeln an, einschließlich der „Stadthofbewohner". Es war schon ein besonderer Tag, auch des- halb, weil nach der Gründungsakte vom 26. Oktober 1752 die frühere Kolonie Burow 175 Jahre bestand. Zu der Zeit wirtschaftete der tüchtige Landwirt Roth auf dem stadt- eigenen Gut in der Putlitzer Heide. Dem Pachtvertrag vom 1. Juli 1925 hatten die Abge- ordneten freudig zugestimmt, sollten sich daraus doch höhere Einnahmen für die Kämmerei ergeben. Vorher betrug die Pacht für den Morgen 32 Pfund Roggen. Das entsprach einer Jahrespacht bis 1200 Mark. Allerdings gehörte zu den Vereinbarungen, daß die Kommune die Instandhaltungskosten der Gebäude zu tragen hatte. Der Wirt- schafter Roth seinerseits erklärte sich bereit, die Jahressumme auf 2000 Mark zu erhöhen und außerdem sämtliche Lasten zu übernehmen, die durch Steuern entstehen. Was mag den Pächter Roth dazu bewogen haben, sich nicht um eine Verlängerung der Nutzungsvereinbarung, die bis zum 27. Juli 1928 lief, zu bemühen. Schon am 21. Juli des Jahres kamen die Stadtväter zu dem Beschluß, den nächsten Pachtvertrag für das 360 Morgen große Stadtgut für einen Zeitraum bis 1946 auszuschreiben. Das gleicht ja fast einer „Wahrsagung", dahingehend, daß zu der Zeit ein tiefer Einschnitt in die Geschichte Deutschlands erfolgt war, zur Zeit des letzten Pächters Jahnke. Als der vom Hülsebecker Damm in die Stadtheide zog, war Deutschland durch eine galoppierende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Wen wundert es, daß in den 20er Jahren auch aus dem Ruhrgebiet Arbeitssuchende in der Putlitzer Stadtheide eintrafen.
Doch schon vor dieser Zeit hat das kleine Tagelöhnerhaus des Gutshofes manchen flei- ßigen Arbeitsmann erlebt. Immer wieder spielte sich in den beiden Wohnungen ein reges Familienleben ab, und sicherlich war es für die Kinder eine schöne Sache, wenn sie von den Früchten aus dem Garten, der sich hinter dem Gutshaus anschloß, naschen konnten. Auch noch nach den 60er Jahren, als die Gebäude in sich zusammensanken, kannten Putlitzer diesen Flecken als Lieferant für so manchen safti- gen Apfel. Ob hier je einst wieder Leben einkehren wird?
Eine Wanderung entlang der Faulen Beak
Es war wirklich so, daß im Sommer oft des Abends ein Einspänner zur Faulen Baek fuhr, um dort an der Brücke in das kühle Naß etwas hineinzustellen. Es war der Burg- hofer „Schweizer", der morgens die tiefgekühlten Milchkannen wieder abholte und zur Molkerei brachte, die sich unmittelbar am Wirtschaftshof befand.
Noch zu Beginn des Jahrhunderts zogen sich beiderseits der Faulen Baek schmale Wiesen entlang, auch die Koppeln der Volldeputanten, in Richtung zur Chaussee.
Hat der vom ehemaligen Bahndamm kommende Wanderer die Faule Baek hinter sich gelassen, dann zeigt sich nach einer kleinen Anhöhe in Fortsetzung des Weges ein Wiesenstück, einst durch Gräben in Totenberg-, Damm-, Leute- und Buchwiese unter- teilt. Doch den größten Anteil nahm die runde Wiese ein, an die auch heute noch ein schönes Feuchtbiotop grenzt. Vielleicht eine frühere Mergelgrube?
Von diesem Punkt aus sieht man eine große Ackerfläche, unterteilt in „30 ha Schlag" (entlang des Weitgendorfer Weges, von der Chaussee bis zur Flurgrenze des Nachbar- ortes) und „Stiefelschlag". Sein „Fuß" berührt die Chaussee, die Spitze stößt gegen die Faule Baek, und der Schaft verbreitert sich in Richtung Weitgendorfer Flurgrenze. Auf- fällig ist dort der Trappenberg. Eine Putlitzerin erzählte mir, daß sie in ihrer „Schnitter- zeit" noch mit eigenen Augen die Berechtigung dieser Namensgebung erlebt hat.
Geht man nun wieder in Richtung Faule Baek zurück, dann liegt gegenüber dem „Tei- gelschlag" das Flurstück „Totenberg", begrenzt durch Faule Baek, Weg, Wiese und dem Totenberggraben, der heute teilweise verrohrt ist und so kurz vor der Meyenburger Chaussee das Wasser der faulen Baek zuführt.
Sollten Totenberg und Totenberggraben im Zusammenhang mit der verschwundenen Ortschaft Röskendorf stehen?
Nun fehlt nur noch stadtwärts (Flurstück zwischen Baek und früherem Suckower Bahn- damm) der acht Hektar umfassende sogenannte „Steinschlag". Es ist nicht zu über- sehen, daß auch heute noch am Anfang dieses Feldweges einige große Feldsteine liegen, abgesehen von dem Müll, den Umweltsünder hier am Bahndamm immer wieder abladen. Es wird so gewesen sein, daß die Tagelöhner von Jahr zu Jahr auch von dieser Ackerfläche die „wachsenden" Steine abgetragen haben. Und wenn heute dort keine Berge von Feldsteinen liegen, dann u.a. deshalb, weil diese Steine eine vielsei- tige Verwendung fanden, nicht nur beim Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, nicht nur für das Putlitzer „Kirchenschiff". An anderer Stelle kann das nachgelesen wer- den.
Jenseits der Meyenburger Chaussee fließt der Bach in mancher Windung der Stepe- nitz zu. Hier wurde also die Faule Baek nicht durchgehend melioriert und zeigt sich so in ihrer vollen Natürlichkeit. Zur Zeit der Schneeschmelze ist nichts von Trägheit, Faul- heit zu spüren, dann hat es die Faule Baek eilig, zwängt ihre Wassermassen spritzend und sprudelnd unter die einstige Eisenbahnbrücke hindurch, um sie nach wenigen 100 Metern dem Prignitzstrom anzuvertrauen. Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts eilten Mädchen und Frauen mit Gefäßen zur Faulen Baek, sprachen kein Wort, schöpften das klare Wasser und eilten stumm nach Hause. Ach ja, werden die Älteren sagen, das mußte so sein, nur dann besaß das Osterwasser wunderbare Kräfte. Man sah auch hier an der Faulen Baek, auf dem Stadt wärts gelegenen Röskendorfer- schlag und auf dem Flachsschlag zwischen Faule Baek und früheren Bahndamm Ta- gelöhner und Schnitter des Burghofes beim Besteller und Abernten der Felder. In Nach- barschaft davon befand sich der „28 Hektar Schlag" der bis zum Weg an der Schafstall- brücke reichte. Diesen Weg von der Meyenburger Chaussee über die Stepenitzbrücke ins Hainholz haben viele Burghoffahrzeuge genutzt, auch jene, die aus der angren- zender früheren Kieskuhle so manche Ladung für die Wegebefestigung abgefahren haben. Jenseits des Feldweges setzte sich die Feldmark des Gutes fort, man sprach von Schlag 7 und 6. Die letzte Flurbezeichnung zur Nettelbecker Grenze hatte den Namen „28 Morgen Schlag". So reihte sich an der Faulen Baek oder in Sichtweite da- von Flurstück an Flurstück.
Einst fuhren Heuwagen durch den Philippshofer Park
Wer denkt schon daran, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß hier der Philippsho- fer Park seinen Anfang nahm. Vor dem zweiten Weltkrieg gehörte das gesamte Gelände, angefangen an der Mühlenbrücke bis zum Nettelbecker Weg, der Familie zu Putlitz.
Privatzufahrt entlang der Hecke
Den genannten öffentlichen Weg gab es damals nicht, dafür eine private Zufahrt ent- lang einer grünen Hecke (heute Kegelbahn). So sah man immer wieder Kutschen diesen Weg befahren, der in Höhe des heutigen Heizungskellers zur breiten Auffahrt vor dem Hausportal führte.
Niemand war jedoch darüber erstaunt, wenn zur Erntezeit auch Leiterwagen zu
sehen waren. Sie fuhren auf der Stepenitzseite am Herrenhaus vorbei und folgten den Wagenspuren durch den Philippshofer Park bis zum heutigen Feuchtbiotop. Links zeigte sich der Park mit seinem schönen Holzbestand, aber rechts entlang der Stepe- nitz reihte sich bis zum Graben Wiese an Wiese.
Ob dieser Darstellung wird man sich zweifelnd das Terrain anschauen, von Büschen und Bäumen dicht bestanden. Fünfzig Jahre fast unberührte Flora, für den Naturfreund ein schöner Anblick. Zur Zeit der Barone wurden also dort Heuballen mit der Forke auf den Leiterwagen gestakt. Man sah auch Reiter und Roß auf dieser Strecke. Die Bezeichnung Reitplatz erinnert daran, gemeint ist das Gelände am heutigen Schul- sportplatz. Damals gab es dort keine Rasenfläche. Büsche und Bäume füllten ein großes Rondell aus, umgeben von einem etwa fünf Meter breiten Reitweg. Heute kann man das noch an der Anordnung so mancher hohen Fichte gut erkennen, die zum Teil in Reih und Glied stehen. Der Reitweg war eine Teststrecke, gespickt mit Hindernissen und Graben. Natürlich bot es sich an, vom Park aus zum Nettelbekker Weg zu reiten. Schon sah man vor sich die weite Feldflur und in anderer Richtung das Hainholz.
Ein Telefon an einer Buche
Mitten im Philippshofer Park hing zur Zeit des Baron Siegfried an einer Buche ein Tele- fon. Doch, daß nun niemand denkt, es ging um eine Verbindung zum Schloß, um even- tuell rechtzeitig beim Dinner zu erscheinen. In entgegengesetzte Richtung sollte eine Verbindung hergestellt werden, über den Graben und die anschließende Wiese.
Die „Empfangsstelle" kann man heute noch erkennen. Dort ist ein Hügel aufgeschüttet, davor deutet eine Vertiefung auf einen Graben hin. Zu der Zeit bestand beste Sicht von der Sandanhäufung bis zu dem Laubbaum mit dem Sprechapparat. Und hier standen oder saßen die Philippshofer und die Gäste, griffen zum langläufigen Gegenstand, schlössen ein Auge, dachten an Korn und Kimme und drückten ab. Man sah auch den Baron oder den Gast zum Telefon greifen und dann konnte es heißen: „Keiler ins Revier" oder vielleicht „Hasen hoch". Kein Problem, schnell wurde das Borstentier, pos- tiert auf
Schienen, geheftet auf Pappe, von den fleißigen Helfern in die richtige Schußlinie ge- zogen. In diesem Teil der Anlage befand sich also der Schießstand, unweit des Net- telbecker Weges. Aufgezogene Fähnchen machten dort auf die Sportler aufmerksam. Das schien schon angebracht zu sein, denn es bestand bei Wanderern, aber auch bei Ortskundigen die Versuchung, den schönen Weg entlang der Stepenitz zur Flußbrücke zu durcheilen.
Badestelle der Baronsfamilie
Baron Siegfried hatte von seinem Zimmer mit Erker beste Einsicht auf diesen Weg, ebenfalls zum Wirtschaftshof, denn zu seiner Zeit gab es dort noch nicht das parallel zur heutigen Kegelanlage stehende Längsgebäude. In Sichtweite vom Schießstand befand sich ein Platz, mit Bohlen begrenzt und mit einem federnden Brett ausgestattet: die private Badestelle am Stepenitzufer.
Der Park machte stets einen gepflegten Eindruck. Regelmäßig wurden die Wege, auch auf der Stepenitzseite, gesäubert und durch das Abstechen der Soden neu begrenzt, meistens unter der Regie des Gutsgärtners Paul Glöde. Man erlebte auch den Guts- förster Peselin im Park hantieren, vor allem am linken Wiesenrand vor dem Waldstück. Der Weidmann hatte an der bezeichneten Stelle hinter dem Graben eine Zwangs- strecke angelegt, die er des öfteren säuberte und harkte. Immer wieder schaute er zu dem abgestellten „Kasten" mit dem verlockenden Angebot für das Niederwild. Ob Iltis oder Marder, manche; „Naschkätzchen" konnte der Versuchung nicht widerstehen. Ein- mal in das Kästchen geschlüpft, gab es kein Zurück in die Freiheit. Gärtner meister Glöde war nicht verwundert, wenn wieder einmal der geachtete Grünrock vor dem Gartenhaus erschien und dann die Frage „Sind die Jungens zu Hause?" gestellt wurde.
Den Dachs aus dem Kasten geklopft
Die Sache war klar, Will griff zum Stock und folgte dem Weidmann. An der Zwangsstre- cke angekommen, hielt Förster Peselin den Sack vor den Kasten und der Helfer über- zeugte der Dachs durch „Anticken" mit dem Stock dahingehend, das Quartier zu wech- seln. Der Philippshofer Park hatte also einiges zu bieten. Es gib noch mehr zu berich- ten.
Feldhüter suchten nach den faulsten Putlitzer Bürgern
Mitte des 19. Jahrhunderts umfaßte die Putlitzer Flur nach Angaben von Dr. Berghaus
„7126 Morgen 145 O.Ruthen". Der größte Teil davon soll „in Dreifelder-Wirtschaft" gewesen sein. 1860 waren der Stadt noch 6328 Morgen zugerechnet. Für das Gut Phi- lippshof sind es 2330 Morgen mit Anteil Röskendorf, für den Burghof werden 1860 ins- gesamt 2471 Morgen angegeben.
Zu den großen landwirtschaftlichen Nutzflächen der Güter vor den „Toren" gehörte bei- spielsweise an der Mansfelder Chaussee das Südfeld, auch bekannt als „Siedefeld" oder „Siedfeld-Koppel". Das Foto zeigt wie hier Gespannführer mit je vier Pferden des Baron Gebhard vor einem Dreivierteljahrhundert beim Eggen im Einsatz waren. Im Hintergrund sieht man noch den „Duker"- Wald. Sein Kiefernholz hat 1945 den Putlitzer Bäckern „Energie" geliefert. An der Parchimer Straße gibt
es zum Beispiel das Flurstück Grünwaldskamp, am Kirchweg den Lütkendorfer Schlag und am Hülsebecker Damm den „Lehmschradt". Der schmale Feldstreifen zwischen dem einstigen Lütkendorfer Kirchweg und dem ehemaligen Bahndamm in Richtung Berge gehörte früher Heyl, heute als „Heyische Gärten" geläufig. Auf der anderen Stra- ßenseite war eine große Parzelle stadtwärts früher als „Schäferblock" bekannt, heute wird er teilweise den Heyischen Gärten zugeordnet. Am Hülsebecker Damm sind die Bezeichnungen „Rosenplan" und Rosenplanscher Weg geläufig.
Bereits hier durchzieht die Rote Baek die Feldflur. Angrenzende Flächen heißen somit Rotbäckstücke. In Höhe des ehemaligen Rinderkombinates fließt der Bach jenseits der Karstädter Chaussee zur Stepenitz weiter. Fast auf gleicher Höhe deutet genauso wie im Terrain des Reitplatzes die Flurbezeichnung „Schwarzbäckstücke" auf einen frühe- ren Bach gleichen Namens hin(„Swart Baek").
Nicht nur an der Roten oder Faulen Baek sah man zur damaligen Zeit insbesondere im Herbst häufig einen Mann nach Feierabend entlanggehen, der ein aus zwei „Stelzen" bestehendes Gerät gekonnt schwenkte, von Einstich zu Einstich und immer wieder zum Notizblock griff und die Flächen vermaß.
Dabei ging es nicht um den Verkauf der angrenzenden Flurstücke, sondern um die gerechte Bezahlung für den Stadtarbeiter Otto Hintz. In aller Herrgottsfrühe hat er sich zum Ausmähen der Gräben in die Feldmark begeben. Dem Landwirt Albert Klähnham- mer oblag es, die ausgeräumte Fläche nachzumessen, als Grundlage für die Entloh- nung. Zur Zeit von Bürgermeister Berger tagte des öfteren eine kleine Kommission bei Schumachers, zu der unter anderem Hans Mahlow, Franz Berger Otto Rump, Willi Witt und eben Albert Klähnhammer gehörte. Sie legten fest, welche Gräben als nächste auszuräumen sind.
Auch in der Putlitzer Flurmark bestätigt sich, daß die Namen von Flurparzellen mehre- ren Kriterien zuzuordnen sind. Flurnamen wie Kurz- und Langstücke, Lehmkuhlen und Heidestükcke, Bergstücke und Segstücke sind Beleg dafür. Für die Flurzellenbezeich- nung sind auch die Wörter Plan (Bauernplan), Kamp (Hilgenkamp) und Schlag bekannt. Manche Überlieferung auf alten Flurkarten ist heute vollkommen unbekannt. Was mag die Bezeichnung „Der Löffler" am Schmarsower Damm bedeuten? Gehörte der Acker einem Bürger gleichen Namens.
Es gab schon immer Mitmenschen, die ohne Fleiß und Mühen am Ernten teilnehmen wollten. Das sollte der Feldhüter unterbinden. So sah man denn Bürger im Auftrage der Stadtverordneten durch die Feldflur gehen, wachsamen Auges das Geschehen auf den erntereifen Feldflächen und in den Gärten entlang der Stepenitz beobachtend. Zu ihnen gehörte Jacobs, der vor 75 Jahren diese Aufgabe übernommen hatte. In der Zeit vom
20. März bis 15. Oktober legte er so manchen Kilometer in der Feldflur zurück - für täg- lich 2,50 Mark.
Frauenverein kümmerte sich um Kranke, Hungrige und Kinder
Es war am 17. Juni 1928 als sich vom Marktplatz aus ein langer Zug - Bürger der Stadt und geladene Gäste - zur Nikolaikirche bewegte. Ein prachtvoll von Blumengebinden eingerahmtes großes „Rotes Kreuz" wurde vorangetragen. Den Altarraum hatten flei- ßige Hände in eine Blütenpracht gehüllt. Nach dem Dankgottesdienst begab man sich in den Saal von Garlipp. Hier hatten Mitglieder des Rotes Kreuzes jeden einzelnen Platz geschmückt, zur Freude aller, auch der vielen Gäste aus den Zweigstellen der West- prignitz.
Der Anlaß der Feierlichkeiten war das 25jährige Bestehen des Putlitzer Vaterländischen Frauenvereins innerhalb des Rotes Kreuzes, der damit auf das Gründungsjahr 1903 verweisen konnte. Zunächst begrüßte die Schriftführerin die Gäste. Danach übermittelte Bürgermeister Hinze im Namen der Kommune anerkennende Worte für die geleistete Arbeit. Das formulierte auch Frau von Hanke als Vorsitzende des Provincialverbandes. Sie überbrachte Auszeichnungen für Frau Triloff, Baronin Lita und Gemeindeschwester Auguste, die ebenfalls zu den Mitbegründern zählte. Zum Programm gehörte z. B. der Sologesang der Perlebergerin Käte Thiele, u. a. auch Texte von Lita zu Putlitz.
Festrede hielt Baronin Lita
Baronin Lita hielt die Festrede und ging hierbei auf die Vereinsgeschichte ein. Sie erin- nerte daran, daß dem ersten Vorstand die Ehefrauen von Bürgermeister Goosmann und dem Arzt Dr. Krieger, Baroneß Elly zu Putlitz, Frau Gerke, Frau Triloff, Oberpfarrer Müller und Pastor Meinardus angehörten. Zum Abschluß des Nachmittags brachten die Kleinen vom Kindergarten ein Ständchen und schwenkten freudig Fähnchen vom Roten Kreuz.
Und dafür bestand ein ganz enger Zusammenfiang. Wenn vom Roten Kreuz ge- sprochen wird, dann erinnern sich die älteren Putlitzer auch dahingehend, daß es Mit- glieder der Interessengemeinschaft waren, die in Putlitz bereits zur Weimarer Republik für Bedürftige Essen gekocht haben, Krankenbesuche durchführten und Sachzuwen- dungen vermittelten, insbesondere auch an sozialschwache kinderreiche Familien. Zum Programm gehörten ebenfalls kulturelle
Veranstaltungen wie z. B. Leseabende um 1930 unter der Regie der Ehrenvorsitzenden Lita zu Putlitz.
Kinderfeste und Weihnachtsfeiern für die Jüngsten sind des weiteren zu erwähnen. Darauf verwies auch die Vorsitzende Baronin zu Putlitz/Philippshof anläßlich des
30 jährigen Bestehens. In dem Jahr wurde 224 Mal Mittagbrot gespendet, die Ge- meindepflegestation unterstützt und so vielfach Kranken und Bedürftigen geholfen.
Ein besonderes Verdienst bleibt die Schaffung des Kindergartens, insbesondere durch das Engagement der Ehefrau von Pastor Merke. Dankbar nahmen Putlitzer Mütter das Angebot an, ihre Kinder liebevoll betreut zu wissen - und das bereits in den 20er Jahren. Waren es im Anfang nur 14 Kinder, so tummelten sich 1927 mehr als 30 Kinder im Garten des Restaurants Westbahnhof, liebevoll von Tante Selma umsorgt. Stadt und Kirche unterstützten monatlich mit 25 Mark, doch die Unkosten waren höher. Als der Bankverein 75 Reichsmark spendete und der Provinzialverband des Vaterländischen Frauenvereins einen Zuschuß von 130 RM überwies, da hat man auch das dankbar zur Kenntnis genommen.
1927 noch freie Kita-Plätze
Der Vaterländische Frauenverein gab 1927 bekannt, daß noch weitere kleine Erden- bürger für einen wöchentlichen Beitrag von einer RM aufgenommen werden können. Bedürftige erhielten eine Unterstützung. Anmeldungen nahmen alle Vorstandsmitglieder entgegen Im Sommer boten die Neubeckerschen Räume und der Garten beste Bedin- gungen Da der Kindergarten bis zun 1. Dezember verlängert wurde, stellten Vereins- mitglieder andere gut beheizbar« Räumlichkeiten zur Verfügung. U. a. erfolgte die Unterbringung im Laufe de Zeit in der Wilhelmstraße in Haus von Schmiedemeister Haase sowie bei Dachdecke Behtke.
Später sollte die Putlitzer Kinderbetreuungseinrichtung durch den Umbau de Pferde- stalls von Dr. Berger (schräg gegenüber vom späteren Landambulatorium dort eine Heimstätte erhalten. Man erinnert sich au der Zeit vor 1945 unter anderem der Kinder- gärtnerinnen: Selma Lehmann und Lotte Schwarz.
Der Garlippsche Saal - in Putlitz eine Attraktion
Pirower, Brescher und Burower machten eine Schlittenpartie durch die verschneite Landschaft.
Es war im Januar. Was für ein Jubel ist wohl bei den jungen Leuten aus Pirow, Bresch und Burow ausgebrochen, als sie sich in Begleitung von Erwachsenen zu einer Schlit- tenpartie nach Putlitz aufmachten. 30 Schlitten, das war eine lange Kolonne, die sich dort durch die tiefverschneite Stadtheide bewegte, bei klirrendem Frost, aber freund- lichem Winterwetter. Mit roten Wangen und tropfenden Nasen kam die Schlittenmann- schaft auf dem Putlitzer Viehmarkt an und begab sich sofort durch den schmalen Gang zum Garlippschen Gasthaus. An der bereits gedeckten Kaffeetafel im Saal nahmen 70 Personen Platz, genossen das alkoholfreie warme Getränk und ließen sich den Kuchen schmecken.
Sicherlich ist den Lesern auch schon das große, teilweise Fachwerk aufweisende Haus, unweit der Putlitzer Wassermühle aufgefallen. Ach ja, wird mancher West- und Ostprig- nitzer sagen, das kenne ich und erinnert sich dabei an persönliche Erlebnisse. Bis zur Mitte des Jahrhunderts waren die Räumlichkeiten dieses Gebäudes nicht nur den Put- litzern bestens bekannt. Das Gaststättenehepaar Garlipp - Inhaber des Deutschen Hauses - verstand es, sein Hotel einschließlich Saal und Gaststätte immer wieder zum Magnet für die Bürger werden zu lassen, und das schon zur Zeit der Weimarer Repub- lik.
Der Garlippsche Saal erlebte in den Jahren des Öfteren das muntere Geplauder und herzhafte Lachen der Kinder. Dies geschah auch dann, wenn der Baron die Philippshö- fer zum Erntefest in das Deutsche Haus einlud. „Kinderschnattern" beherrschte den Raum, wenn der Vaterländische Frauen- Verein des Roten Kreuzes den Buben und Mädchen ein fröhliches Beisammensein ermöglichte. Selbstverständlich haben die Frauen dieses Vereins ebenfalls ihre Mitglieder zur Kaffeetafel in das Garlippsche Haus eingeladen, zu Vorträgen, die z. B. von Lita zu Putlitz gehalten wurden.
Es war schon eine besondere Aktion, als zur Winterszeit zu einem zweitägigen „Privat- kurs" die jüngeren und älteren Damen des Städtchens und der umliegenden Ortschaf- ten in den im 1. Stockwerk gelegenen Saal gebeten wurden. Die Initiatorin, Meta Jae- ger, unterbreitete ihr Anliegen, theoretisch und praktisch mit dem „Tafelgerät" zu arbei- ten, alle in der Häuslichkeit vorkommenden Tafeldeckarten, wie Diner, Souper, Kaffee-, Tee- und Mittagstisch, einschließlich Kaltes Büfett zu demonstrieren. Dann das günstige Angebot, entweder am Tageskurs in der Zeit von 3 bis 6 Uhr oder in den Abendstunden von 8 bis 11 Uhr teilzunehmen. Die Kursleiterin hat schon sozial gedacht, da sie in Put- litz den Honorarbeitrag auf 5 Mark ermäßigt hat. Man bedenke, daß zum lehrreichen Unterweisen ebenfalls das Zusammenstellen des Festessens, das Servieren und das Anordnen des Tafelschmucks gehörten, genau wie die Unterweisung im korrekten Es- senverhalten, standesgemäßen Empfang der Gäste, deren Vorstellung und Anrede und die so wichtige Tischordnung. Für all das brauchten die Teilnehmer nur sechs Servi- etten mitzubringen.
Es gab die verschiedensten Anlässe, das Deutsche Haus aufzusuchen. Resonanz fand bei den Putlitzer Eltern die Einladung zu einem Vortrag des Pastors aus Kuhsdorf. Er sprach am 1. Dezember 1927 im Auftrage des Evangelischen Elternbundes zu dem Entwurf des neuen Schulgesetzes, plädierte für die Einrichtung evangelischer Be- kenntnisschulen und vertrat den Standpunkt, daß die Weltanschauungsschule einen verderblichen Einfluß auf den Charakter des Menschen ausübe. Die anwesenden Lehrer argumentierten eindeutig für die bereits bestehende Gemeinschaftsschule. Auch Konrektor Wiese ließ die Darlegungen des Pfarrers nicht unwidersprochen. Er hielt den Vortrag - ebenso Schullehrer Hermenau - für unnötig und nur dazu angetan, Unruhe in die damalige Zeit hineinzutragen.
Sicherlich haben viele Prignitzer die Möglichkeit genutzt, die vom 3. bis 11. September 1927 im Garlippschen Saal aufgebaute Blumenausstellung zu besichtigen. Der Putlitzer Betrieb demonstrierte die neuesten Dahlienzüchtungen. Die Modeblume wurde wun- derbar zur Schau gestellt, und zwischen dem kräftigen Grün und der großen Blüten- pracht blickten der Alte Fritz und der Reichspräsident von ihrer Büste wohlgefällig in die Runde.
Die großen Feste im Garlippschen Saal - ob Sommer oder Winterszeit - gehörten jedes Jahr zu den gesellschaftlichen Höhepunkten. Das Vereinsleben in der ersten Hälfte des Jahrhunderts war auch in Putlitz äußerst vielgestaltig, sie alle hatten ihr Sommer- oder Wintervergnügen oder beides. MTV und Sportverein sind auch heute noch vielen Put- litzern in Erinnerung. Doch zum gesellschaftlichen Leben gehörten ebenfalls - es ist eine willkürliche Auswahl - der Landbund, der Radfahrerverein, Lehrerverein und die Schützengilde. Zur Zeit der Weimarer Republik waren das Königs- und Vogelschießen die Ereignisse des Jahres.
Während am Tage das Geschehen im Bürgerpark mit dem Schützenhaus ablief, fand des Abends der Schützenball auf den Putlitzer Sälen statt, so auch bei Neubekker und natürlich bei dem Kameraden Hinze und dem Schützengildenmitglied W. Garlipp. Zur Geschichte von Putlitz zum traditionsreichen Vereinsleben gehört das frühere Hotel
„Deutsches Haus" und damit der Garlippsche Saal.
Falls ein Pirower, Brescher oder Burower fragt, wie konnte ich bloß die Schlittenpartie verpassen, naja, die war ja schon 1925!
Das Wandern war nicht nur des Müllers Lust.
Zur Geschichte von Putlitz gehört die traditionsreiche Gaststätte Schumacher.
Die Ahnentafel der Familie Schumacher läßt sich bis in die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg zurückverfolgen. 1639 sind die Vorfahren aus Schleswig-Holstein nach Putlitz zugezogen und haben hier die Familientradition des Schmiedehandwerks fortgesetzt. Heute noch kann man auf dem Grundstück in der Breitscheidstraße einen Amboß in Augenschein nehmen. Aus gesundheitlichen Gründen mußte der Huf- und Nagel- schmied Friedrich Schumacher (1859 - 1922) seinen Beruf aufgeben. 1898 erhielt er die Konzession für eine Gastwirtschaft, aber nur unter der Auflage, den Wandergesellen Logis zu bieten.
Friedrich Schumacher und Ehefrau Anna und ihre fünf Kinder haben so manchen Wandergesellen begrüßt. Beim Umbau des Hauses für die Handwerksburschen wurde hinter dem zweiten Gastraum ein Aufenthaltszimmer eingerichtet. Eine Treppe stellte die Verbindung zu den beiden Schlafräumen her. Wenn Stammkunden im Gastzimmer plötzlich ein Klopfen hörten, dann wußten sie, daß die Handwerksleute Bedienung wünschten. Die Klappe zum angrenzenden Raum wurde geöffnet, das Bier oder ein Viertelliter Schnaps für 25 Pfennig durchgereicht. Auch an der Hausmannskost konnten sie teilnehmen. Um 1930, zur Zeit des Gastwirts Wilhelm Schumacher und Ehefrau Martha, gingen die Wandergesellen zum Rathaus und erhielten dort einen Übernach- tungs- und einen Essenschein im Wert von 25 Pfennig. Tochter Anneliese eilte nun zu Kaufmann Schulz in der Karstädter Straße und kaufte ein. Die Wertmarke reichte aus, um den Gesellen ein Gericht anzubieten, z. B. zehn Pellkartoffeln und einen Salzhering. Abends gab es dann noch einen Topf Milchkaffee.
Einige Wanderburschen blieben wochenlang in der Herberge, kehrten also abends vom Handwerksmeister wieder bei Schumachers ein und freuten sich, daß sie ihre müden Glieder in einem der sechs Betten ausstrecken konnten, darunter Logiergäste, die später als geachtete Handwerksmeister in Putlitz tätig waren.
Es ist schon ein Glücksfall und insbesondere dem Verständnis der Enkelin des Fir- mengründers zu danken, daß ein Herbergsbuch heute noch Zeugnis gibt aus der Zeit vor 100 Jahren. Die Notizen beginnen mit folgender Information: Vor- und Zuname:
Karl Rausch, Stand oder Gewerbe: Zigarrenmacher, Geburtsort: Ober Dirsdorf, Ist legiti- miert durch: Quittungskarte 3,
Tag des Eintreffens: 3.4. 1898,
Tag der Abreise:
4.4., Bemerkungen: Perleberg — Meyenburg.
Aufgeführte Geburtsorte sind u. a. Berlin, Halle, Lübeck, Dresden, Rothenburg, Pots- dam, Marienburg, Demmin, Tilsit, Görlitz, Egeln, Breslau, Oberhausen. Ob Zigarren- Sortierer, Artist, Fabrik-Arbeiter oder Künstler, Ziegler, Kupferschmied, Kuhfütterer oder Knecht, Kaufmann, Schornsteinfeger oder Schriftsetzer, sie alle fanden bei Schuma- chers ihre Bleibe. Manche fröhliche Runde der Handwerksburschen fand unter inter- nationaler Zusammensetzung statt, so Holländer, Österreicher, Polen, Ungarn und Dänen. Der Hausdiener Reinhold Owalka ließ den Geburtsort „Campinas" eintragen. Aus Brasilien hat es ihn wieder nach Deutschland verschlagen. 1898 sind 493 Wandergesellen aufgelistet. Die Eintragung 1905 beginnt mit dem Seiler Hermann Brat- ram, der als 20j ähriger am Neujahrstag in Putlitz eintraf, und findet den Abschluß mit dem 56 jährigen Müller Paul Knuth, der Silvester in der Herberge lebte. Seine Regi- striernummer lautet 728, fürwahr eine stolze Bilanz des Gasthauses.
Das ehrwürdige Buch ist ein Beleg dafür, daß die Gaststätte Schumacher in ihrer Geschichte einem wichtigen gesellschaftlichen Auftrag gedient hat. In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts haben Martha Schumacher und Tochter Anneliese die Tradition des Hauses als gastfreundliche Gaststätte erfolgreich fortgesetzt.
So manche Vereinsfeier, Stammtischrunde und mancher Sportlertreff fand in den Räumen des Hauses statt. Auch heute gehört die Gaststätte Schumacher zu Putlitz.
Philippshof
Wenn heute ein Brief eine Privatperson mit der Aufnchrift Philippshof erreichen soll, so wohnt der Empfänger in einem der Häuser am Stadtausgang in Richtung Meyenburg geht man stadtauswärts zeigt sich links gleich ein schönes altes Fachwerkhaus, drei kinderreiche Familien teilten sich früher den Wohnraum. Auf dem Philippshof fanden einst auch die Saisonarbeiter aus Schlesien ihre Unterkunft. Später folgten italienische Arbeitskräfte.Wen wundert es dass nicht nur Freundschaften Endstanden. So manch ein Familienname in der Prignitz findet dadurch seine Erklärung.
Es war wirklich so, dass zu Beginn unseres Jahrhunderts etwa 50 Heranwachsende auf dem Philippshof ihre Kindheit verlebten. Es gab dort wunderbare Spielplätz. Für die Jungen war es immer wieder verlockend auf das kleine Rohrdach zu steigen, dass am Eingang zum Eiskeller stand. Da hatte man einen schönen Ausblick zum Wirtschafts- hof, konnte die Angreifer schnell erkennen. Manchmal herrschte am Eiskeller Betrieb. Der Name lässt schon vermuten, dass zur Winterzeit Pferdefuhrwerke vor dem Keller- eingang hielten und schwere »Pakete in das unterirdische Gewölbe getragen wurden, eine eiskalte, oft tropfende Fracht.
Es waren Eisschollen, bestes natürliches Kühlmittel für die schmackhaften Vorräte des Baron Siegfried. Etwa fünf Stufen führten in das mit Feldsteinen ausgelegte Gewölbe, Meister Meeske hatte 'ein schönes halbrundes Regal angefertigt, Wo so manches Ton- gefäß mit dem gutseigenen Schmalz seinen Platz fand.auch Schüsseln und Mollen. Und dann die wuchtigen Schmiedehaken, die Wohl jedem Keilergewicht standhielten.
Aber das Ereignis des Jahres war die, Weihnachtsfeier im Herrenhaus. Zunächst freu- ten sich die kleinen Philippshofer auf das Theaterspiel. Die Gutsherrin wußte schon, warum nur die Mädchen zur Engelsschar gehörten. Und dann gab es ja das Geschenk zum Fest, aber nicht nur die von der Baronin gestrickte, so wunderbarwärmenden Fuß- bekleidung. Zunächst wurden aber die großen Brezel der Gutsköchin verteilt, für jede Hand eine.
Es existierten wunderbare Spielplätze. Die Philippshöfer Karl Ziechos und Otto Gericke erinnerten sich somancher Begebenheit. Unweit vom Eiskeller gab es einen Puhl, vor dem man sich in acht nehmen mußte, Erzählungen ranken sich um diese Stelle. Man kroch durch den Maschendraht und schlich sich in den Burgturm. Doch einmal löste das Ärger aus. Der Burghofer Schmied hatte das mitbekommen und erschien in Begleitung von Baron Gebhard. Die Jungen hasteten die Treppenstufen hoch, Meister Meincke hinterher, oben ging es einige Male in die Runde, doch dann tobten die flinken Buben abwärts, rannten in ihrer Angst und bei dem Tempo den Baron um und entwichen durch den Zaun.
Im Herbst war das Obstlager des Philippshofer Barons auf dem Wirtschaftshof sehr ver- lockend. Heute noch gibt es ein vergittertes kleines Fenster, hinter dem sich die gold- gelben Äpfel aus dem gutseigenen Garten auf der Ablage aneinanderreihten. Das Fenster war des Öfteren geöffnet, und nun begann das Balancieren. An einem Stock hatten die findigen Jungens einen Nagel postiert, und irgendwie klappte es auch, an die Kernfrucht heranzukommen.
Und dann das Angeln. Oberhalb des Mühlenwehres oblag die Stepenitz dem Philipps- höfer Grundherrn. Wenn der Baron die Steppkes beim Angeln überraschte, dann hieß es: „Wilhelm, komm mal her. Du angelst ja schon wieder. Gib die Angel her." Doch es war bekannt, daß das Angelgerät der Kutscher zur Verwahrung bekam. Wenn die Jungen dem Kutscher beim Waschen des Jagdwagens halfen, dann kam auch die Gelegenheit, alles zurückzuerhalten. Wer auf dem Philippshof groß geworden ist, für den ist der Platz an der alten Weide am Stepenitzufer, fast in Höhe des Philippshofer Herrenhauses, mit unvergeßlichen Erinnerungen verbunden, nicht nur mit Badefreuden.
Hüt is Schlachtfest, ich bliew to Hus
Einst war es so, daß der Bub oder das Mädchen beim Schlachtfest der Schule fern blieb. Man hatte sich Urlaub geholt oder „genommen", um beim Schlachten „den Stert to hollen." An dem Tag herrschte im Haus ein eifriges Laufen, emsiges Hantieren, Nachbarsleute, Vettern und Basen standen bei Bedarf helfend zur Seite, ob z. B. am Fleischwolf, beim Stopfen, Kosten und später beim Schmausen. Natürlich hatte man rechtzeitig den Hausschiachter bestellt, und oft war so Emil Langhoff gefragt, der sich von seiner Wohnung aus (gegenüber vom Burghofer Wirtschaftshof) zu seinen Kunden auf den Weg begab, ob in Putlitz, Karlshof oder Konikow. Das Drei- bis Vierzentner- schwein wurde durch einen Hieb mit der Axt zur Strecke gebracht und dann abgesto- chen. Die Magd oder Bauersfrau hat das Blut in einer Schüssel aufgefangen, wichtig für die Lose bzw. Grütz- und Blutwurst. Dabei galt es kräftig zu rühren, bis es abgekühlt war. Das Schwein fand dann durch gemeinsame Anstrengung seinen Platz auf der großen Schlachtbank bzw. Sprossenleiter. Mit heißem Wasser mehrfach übergössen, nahm nun das Abschaben der Borsten seinen Anfang. Wenn das Schwein an der Leiter hing, konnte man bereits ein gutes Stück Arbeit abhaken. Danach begann das Aus- hauen des Schweines, das Zerlegen in die gewünschten Teile. Nun kamen die Fleisch- wannen und Schüsseln verschiedener Größe zum Einsatz. In eine der Mollen tat man die Fleischstücke hinein, schön ausgelegt, sie sollten nicht warm werden, in eine andere z. B. die Innereien.
In den großen Kessel in der Waschküche kam das Fleisch, einschließlich z. B. Poten und Bauchfleisch.
Dampfschwaden durchzogen den Raum. Und dann ging es ans Werk, Grützwurst war gefragt. Zunächst galt es, die Grütze zu kochen, danach die Brühe von dem im großen Kessel gekochten Fleisch hinzuzugeben, Blut, Fleischstücke. Für die Blutwurst? wurde das gekochte Fleisch aus dem Kessel genommen. Man ließ es abkühlen, und dann konnte es in Würfel kleingeschnitten werden. Das alles wurde in Blut eingerührt und durch die Hinzugabe von Gewürzen schmackhaft gemacht. Nun nahm man einen Trich- ter zur Hilfe, und so konnte der Blutwurstbrei sicher in den dicken Schweinedarm einge- füllt werden. Das anschließende Stopfen mit dem Horn erforderte Erfahrung. Das Herz, in Streifen zerschnitten, kam in den mächtigsten Blutwurstdarm. Natürlich hatte man die Gewürze nicht vergessen, ob Pfeffer, Salz oder Zimtblüte. Das gekochte Fleisch für die Leberwurst wurde zweimal durch den Fleischwolf geschickt, die Leber kam mit dazu. Blut- und Leberwurst übergab man dann dem Kochkessel. Wer am großen Mauer- kessel stand und auf die Kochwurst aufpaßte, durfte kein einziges Wort sprechen. Wie
heißt es in der Überlieferung: „Wenn du snackst, seggt de Darm knack*4. Der Darm
platzte also, und der so wertvolle Darminhalt schwamm im Wasser.
Das beste Fleisch wanderte in die Rinderdärme für Mettwurst, die Hälfte der Menge hatte man zweimal durch den Fleischwolf gedreht. Und dann begann das lange, aus- giebige Kneten, unentbehrlich für den Erfolg. Doch manchmal diente auch der Schweincmastdarm für die Mettwurst. Es gab noch keine Kühlschränke. So wurde z. B. diese Wurst in der Feuerungsstelle der Kachelöfen sorgfältig aufbewahrt. Und der Schinken. «Da bot sich ein Holzfaß an. Sechs Wochen in der Lake, jeden zweiten Tag umgedreht und mit der Lake überfüllt, danach abgewaschen, getrocknet, mit Pfeffer versetzt, und ab ging es in die Räucherkammer. Nun konnte das Räuchern erfolgen, aber mit Eichenholz, des Geschmacks wegen (Der Speck blieb nicht solange im Holz- faß mit der Lake, gelangte also schneller in den Rauchprozeß). Die Wurst war zu dem Zeitpunkt bereits geräuchert, obwohl das Räuchern jeden zweiten Tag unterbrochen wurde (Abkühlung). Der Schinken kam nach dem Räuchern in einen Leinenbeutel, den man fest zuband, und verblieb so bis zum Verzehr in der kühlen Räucherkammer.
Und was war mit dem Pökelfleisch? Zuerst galt es, die Salzlake zu kochen. Schwamm ein reingelegtes Ei, dann war alles in Ordnung, konnte die Lake über das Pökelfleisch im Tongefäß gegossen werden.Eine immer wieder bewährte Bevorratung. Ein Tag vor dem Verzehr legte man das Pökelfleisch ins Wasser.
Noch ein Erlebnis von Emil Langhoff. Einen Tag nach dem Schlachten kam der Haus- schlachtcr schon frühmorgens zum Bauernhof, erzählte von der ruhe loten Nacht. Habe ich die Galle von der Leber getrennt? Er hatte es vergessen, es war aber zum Glück noch nichts passiert.
In den 30er Jahren gab´s bei Thätners schon Speiseeis
Wen wundert es, daß immer wieder Einwohner, Gäste, Durchreisende zum schön gestalteten Giebel am Anfang der früheren Friedrichstraße schauen. Schon im vorigen Jahrhundert eilten Bürger zu diesem Grundstück, um hier die knusprige Bäckerware zu kaufen. Natürlich hat das Geschäftshaus seine Geschichte. Auch aus Putlitz sind Bürger in die weite Welt hinausgezogen. Was mag den Bäckermeister aus der Fried- richstraße dazu bewogen haben, vor mehr als 110 Jahren über den großen Teich nach Amerika auszuwandern, Frau und Kinder in der Stepenitzstadt in Stich zu lassen!
Zu der Zeit war Emil Thätner sen. auf seiner Wanderschaft von Pommern in Lenen ein- getroffen und lernte dort seine Frau kennen. Der Giebel kündet davon, daß 1889 der Handwerksmeister Emil Thätner die Bäckerei erworben hat. 1914 wurde das damalige kleine zweistöckige Wohnhaus zur Straßenseite abgerissen und das heutige Gebäude hochgezogen. Natürlich durfte in der Bauzeit der Verkauf nicht abbrechen, so holte man sich die Brötchen von gegenüber, aus dem Haus des Tischlermeisters Richter.
Als zweites Standbein führte Bäckermeister Thätner eine kleine Landwirtschaft. Auf dem engen Gehöft mußten zwei Pferde, zwei Kühe, Schweine und Federvieh Stallung finden. Dann gab es noch die so wichtige Pumpe auf dem Grundstück. Tagein, tagaus begaben sich Einwohner der angrenzenden Burgstraße auf das Gehöft Thätners, auch dann, wenn der Bäckerladen nicht betreten wurde.
Ein Sprichwort sagt, jede Generation hat ihren Backofen. Aus der Zeit des Fir- mengründers stammte der „Brustfeuerungsofen". 1934 hat Emil Thätner jun. (seit 1936 Geschäftsinhaber) den Zweiseitenfeuerungsofen „installiert".
Das war auch die Zeit, als bei Thätners das Speiseeis zum Angebot gehörte. Die Jahre davor sah man den Bürger Diekmann von der Chausseestraße mit seinem kleinen Eis- wagen durch Putlitz ziehen. Ehefrau Agnes - der Sohn Willi Thätner fiel im zweiten Weltkrieg - führte nach dem Tode ihres Mannes mit Tochter Brunhilde das Geschäft weiter (1948/51).
Stets war in Putlitz der Absatzmarkt hart umworben. Ein Protokoll der Freien Bäcker- innung Putlitz vom Oktober 1856 belegt, daß damals sieben Handwerksmeister durch Unterschrift ihre Anwesenheit bestätigten. Und fast 100 Jahre später hatte sich die Situ- ation nicht wesentlich geändert. Neben der Firma Thätner standen die Bäckermeister Janasch (vormals Koch), Lindemann, Seemann, Seiler, Wiedenbeck und Wöhlert mit ihrem Angebot bereit. Es gab noch jenes Grundstück (einst Bäckerei Ganzel) des Besit- zers Möllmann, wo nach 1945 auch Bäckerwaren aus dem Ofen geholt wurden.
Bäckergewerbe hart umkämpft
Während im zweiten Weltkrieg Brot und Brötchen der Bäckerei Thätner mit dem Auto- mobil - ein Dreieckkennzeichen wies auf die besondere Genehmigung hin - in die Dörfer gelangte, reichte zur Mitte des Jahrhunderts ein PS.
Zweimal in der Woche wurde von Neubauer Reinitz vom Philippshof das Pferd „geortet" und so waren Weitgendorf, Telschow und Mansfeld erreichbar. Der Azubi Peter Vogt
„steuerte" auch Nettelbeck an. Die Enkelin des Firmengründers, Bäcker- und Konditormeisterin Brunhilde Gramentz. sorgte 1963 in der dritten Generation für den Einbau des vierstöckigen Dampfbackofens. Seit 1986 wird der Handwerksbetrieb durch
Bäckermeister Detlev Gramentz erfolgreich weitergeführt. Der Tradition des Fa- milienbetriebes folgend hat er in der vierten Generation einen neuen Backofen ein- bauen lassen.
Auch im Jubiläumsjahr bietet die Firma Thätner mit ihrem Acht-Mann-Team den Put- litzern und manchem Prignitzer im Umland - vormittags und nachmittags macht der
„Bäckerwagen" seine Tour - ein vielseitiges Angebot des Bäckerhandwerks. Der Handwerksmeister hat 1987 den Hausgiebel restaurieren lassen — zur Freude vieler.
Inspektor, Administrator, Statthalter oder Vorarbeiter
Es konnte dargelegt werden, daß die Geschichte der Stadt Putlitz seit Jahrhunderten untrennbar mit den Gütern Burghof und Philippshof verbunden ist und damit ebenfalls mit den Tagelöhnern und Schnittern, wovon schon an anderer Stelle berichtet wurde. Das Geschehen auf den Gütern erschöpfte sich nicht mit den Arbeiten auf den landwirt- schaftlichen Nutzflächen oder in den Wirtschaftsgebäuden. Die Putlitzer Grundherrn haben u. a. dafür Sorge getragen, daß mancher Feldweg befestigt wurde, nicht nur der Hülsebecker Damm. Begibt man sich heute am Amtsgebäude vorbei in die Feldmark, dann gelangt man zu einem Steindamm und einen davon abzweigenden befestigten Feldweg, die beide von Burghöfern angelegt wurden. In der Putlitzer Feldmark sah man jahraus, jahrein Steinklopfer und Dammsetzer wie z. B. Riemer und August Jahnke.
Durch einen Verschlag etwas gegen Wind und Regen geschützt, mußte das Auge ent- scheiden, wo der Schlag zum Spalten der Steine anzusetzen hatte.
Wie viele Wagen mit Feldsteinen wurden herangefahren, wie oft hat der Gespannführer Ferdinand Bohnsack (siehe Foto) seine vier Pferde die Walze über den genannten Weg ziehen lassen, wie oft hat Gustav Porath zu seiner Karre gegriffen, Reinhold Klatt zur Steinforke oder Julius Barts, Emil Fathke und Albert Köhn zu den kleinen Findlingen? Diese Fragen hätte um 1930 auch nicht der Inspektor Brunotte beantworten können, der sich auf dem Foto mit Schnürstiefeln und Schlips zeigt.
Wenn man von der Gutsgeschichte berichtet, dann gehört dazu der Einsatz der In- spektoren, der Administratoren so auch auf dem Burghof. Sie haben ihr Fach ver- standen. Mitte der 30er Jahre übernahm den Inspektorposten von dem soeben genann- ten auf dem Burghof Wolfgang Witte aus Silmersdorf. Auch er war ein tüchtiger Mann. So manchmal rief er aus dem Verwaltungsgebäude über den Hof: „Die Pferde sind ja noch nicht aus dem Stall. Was ist denn heute wieder los." Ruckzuck waren die Rosse angespannt, setzten sich die Wagen in Bewegung, ratterten die Traktoren vom
Hof. Man sah ihn auch mit dem Fahrrad den Feldweg entlang fahren, zu den Tage- löhnerhäuser eilen. Bis kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges hat er seinen Posten ausgeübt. Doch ein Name darf nicht vergessen werden, Otto Ehlert. Als er am 11. November 1927 seine Silberhochzeit feierte, da konnte der anerkannte Praktiker auf über 25 Jahre erfolgreiche Tätigkeit als Administrator auf dem Burghof zurückblicken. Er hat mit besten Erfolgen den Burghof zu einer Musterwirtschaft aufgezogen, so daß sein Name nicht nur in Landwirtschaftskreisen einen guten Ruf genoß. Der Administ- rator konnte sich auf seine Leute verlassen, so auch auf Wilhelm Landorf. Wenn mor- gens um 3.30 Uhr am Fenster geklopft wurde, „Wilhelm kumm, wie wüll'n de Peer fo- dorn," dann trat er schon vor die Tür und ging zum Vorratsraum. Wilhelm Landorf teilte jedem Gespannführer die Futterration zu. Wer will heute noch sagen, wie oft der Vor- arbeiter Wilhelm Landorf mit den Tagelöhnern auf den Wirtschaftsflächen im Einsatz war!
Man erinnert sich ebenfalls an den Statthalter Stolte, der so manche Arbeitseinteilung organisierte. Nicht alle können genannt werden. Doch manch älteren Putlitzer Bürger ist ebenfalls der Vorschnitter Tiets in Erinnerung. Es gab Zeiten, da ist er mit dem Burg- hofer Automobil „vollbeladen" mit Schnittern zur Feldmark gefahren. Da angeblich das Gefährt von einem Abdecker gekauft worden sein soll, nannte man es den „Schinder- wagen". Immer wieder haben Putlitzer auf dem Burghof ihre Arbeitsstätte gefunden. Dies geschah auch unmittelbar nach dem Zusammenbruch, als das Gut als Versorgungsbetrieb für die Rote Armee diente. Im Unterschied zum Philippshof - um es richtig zu stellen - wurde das Gut Burghof nicht von der Bodenreform erfaßt.
Blickt man in die Epoche des Volksgutes zurück, dann können viele Putlitzer genannt werden, die durch ihren Einsatz zu den Betriebsergebnissen beigetragen und durch ihr Können die Stadt an der Stepenitz nicht nur in den Bezirken der DDR bekannt gemacht haben wie z. B. durch Saatgutexporte. Vor 30 Jahren gehörten zu den Betriebsangehö- rigen u. a. Facharbeiter in der Feld- (37) und Viehwirtschaft (19), Diplom- (1) und Staat- lich geprüfte Landwirte (3), Haupt- (1) und Buchhalter (4) und Werkstättenmitarbeiter (9), Schweine- (1) und Rinderzuchtmeister (1). In der Ausbildung befanden sich neun Lehrlinge. G. J.
Putlitz - ein historischer Rückblick
Am gesellschaftlichen Leben in Putlitz nahmen auch der Artillerieverein Putlitz und Umgebung und der Kavallerieverein Putlitz und Umgebung teil. Die Kavallerieen- thusiasten waren sich bewußt, daß die militärische Reiterei eine der ältesten Waffengat- tungen der Landstreitkräfte darstellte, die einst mit Gewehr, Pistole, Säbel und Lanze ausgerüstet war. Welche Uniform die Brandenburger bei der Ableistung des Militär- dienstes trugen, zeigt das Foto.
Ob Artillerie- oder Kavallerieverein, daß gesellige Beisammensein gehörte stets dazu. So lud im Januar 1927 der Kavallerieverein zum Ball in den Neubeckerschen Saal ein. Der Pirower Gesangsverein führte die Operette „Jung muß man sein" in Putlitz auf, die insbesondere zur Freude des Pirower Lehrers Richter begeistert aufgenommen wurde? Auf ihre Symbole haben die Vereine stets großen Wert gelegt. Was für ein Ereignis für die ehemaligen Artilleristen (1927 74 Mitglieder), für den Vorstand H. Koch, H. Wiechert sowie B. Haker aus Hülsebeck und W. Meyenburg aus Weitgendorf, als eine neue Fahne geweiht wurde. Um 1 Uhr hatten die geladenen Vereine und Gäste im Mai 1927 auf dem Rathausplatz Aufstellung genommen. Inzwischen holten die ehemaligen
„Schwarzkragen" ihre verhüllte Fahne vom Vereinslokal ab, behütet von Ehren- jungfrauen. Auf Kommando des Vorsitzenden wurden zehn Fahnen aus dem Rathaus herausgetragen und zu ihren Vereinen gebracht. Bürgermeister Hinze sprach die Begrüßungsworte, die
Sängerriege brachte ihren Beitrag und Fräulein Stamer einen vielbeachteten Prolog. Dann trat Major Caemerer ans Rednerpult, und nach seinen Worten wurde das Deutschlandlied angestimmt und dabei die neue Fahne enthüllt, die von einer Neu- rup- piner Fahnenfirma geschaffen wurde. Auch diese ist wie andere Putlitzer Vereinsfahnen verloren gegangen. Der Grundton der Vorderseite war schwarz, auf weißem Feld das Eiserne Kreuz und der Name des Vereins.
Die blaugehaltene Rückseite zeigte zwei gekreuzte Kanonenrohre, über ihnen breitete ein Adler seine Schwingen aus. Das ganze wurde kreisförmig umschlossen von der alten Artilleriedevise, die auf den Kanonenrohren eingegraben war. Das erinnert an eine alte Tradition, an die Zeit des Mittelalters, als die Geschütze Inschriften trugen. So sind
z. B. die Worte der märkischen Geschütze „Romulus" und „Remus" bekannt:
„Auf, auf Romulus, du starker Held, Laß deine Stimme klingen in das Feld!
Des loblichen Churfürsten Johann Sigismundi du bist, Zu verstoren seiner Feinde Macht und List.
Remus bin ich genannt mit Fug,
Ob mich mein Bruder gleich erschlug, So leb' ich dennoch mit starker Macht
Und hab' das Haus Brandenburg in acht."
Oft erhielten die Geschütze Vogelnamen. Eines der Brandenburger hieß „Rebhuhn" mit dem Spruch:
„Das Rebhuhn mit seinem Schnabel picket Dass mancher drob zu Tod erschricket."
Es darf angenommen werden, daß man sich bei der Fahnenweihe dieses Brauches bewußt war.
Der Vorsitzender des Artillerievereins, Koch, nahm die neue Fahne entgegen und gelobte, sie stets in Ehren zu halten. Diesen Worten schloß sich der Fahnenträger Hildebrandt an, der das würdevolle Symbol treu und gut pflegen wollte.
Die Pflege der militärischen Tradition zeigte sich unter anderem darin, daß 1929 ein Stadtkriegerverband gegründet wurde, dem außer den Vereinen der 24er, Kriegs- beschädigter und Kriegshinterbliebener, ehemaliger Kriegsgefangener auch der Land- wehr- und Kriegerverein sowie die Artilleristen und Kavalleristen beitraten.
Mich goß Otto E(h)lers aus Putlitz
Daß sich auch für Putlitz im Laufe der Geschichte die Handwerksstruktur geändert hat, Klein- und Mittelbetriebe kamen und gingen, ist nachvollziehbar. Blicken wir Jahr- hunderte zurück. Es gibt Aussagen, daß in der Stadt um 1700 eine Glockengießerei ihren Standort hatte. Sollte es so gewesen sein, daß diese Werkstätte sogar in Nach- barschaft der Nikolaikirche war?
Im 30jährigen Krieg waren viele Kirchen in Schutt und Asche gesunken, auch das Geläut ging dabei für immer verloren. Deshalb gehörten Glockengießer zu den ge- fragten Handwerkern. Ohne Zweifel war um 1700 ein Glockengießer in Putlitz tätig. Dafür bürgt u. a. die Inschrift „goß mich Otto Elers in Putlitz" auf der Glocke von Pirow. Zur Glockengeschichte vom Stift Heiligengrabe gehört jene große Glocke mit der Auf- schrift „Hedewig Maria Wittstruk- ken Domina, H. Reimar.
Christian von Karsteht, Hauptmann." Und am Rande der Glocke lautet die Information
„Mich goß Otto Elers aus Putlitz 1704".
Daß einst Prignitzer Meister dieses Gewerks gewirkt haben, ist u. a. aus Kirchen- bucheintragungen überliefert worden. Zu ihnen gehören die bekannten Glocken- gießerfamilien Gerke, Burger und die berühmte Dynastie Heintze (Heinze, Hinze) des
17. Jahrhunderts aus Perleberg. Um die Wende zum nächsten Jahrhundert tritt der Name Otto Ehlers bzw. Elers hinzu. Die ältesten Überlieferungen sind aus dem Jahre 1697, drei Glok- ken aus der Hand des Putlitzer Meisters Ehlers: Kirche Bork, Klein Woltersdorf, Königsberg, jeweils mit der Inschrift: 1697, Otto Ehlers. Aus dem Jahre 1700 sind fünf Glocken des Meisters in der
Prignitz bekannt, die für die Wittstocker Kirche bestimmt waren: die 2., 3. und 5. Glok- ke mit der Information „1700 Otto Ehlers." Die 6. und 7. (Schlagglocken in der Laterne des Turmes) bekamen die Information: „1700 von Ehlers in Berlin". Diese Ortsangabe könnte das erste Fragezeichen über die Herkunft des Meisters setzen. Es wird auch die Meinung vertreten, daß es sich hier um einen wandernden Glockengießer gehandelt hat (z. B. Glocke Groß Leppin, „1702 von Otto Ehlers in Kyritz gegossen"). Sollte es aber nicht auch möglich sein, daß sich der Glockengießer zu der Zeit in Berlin aufgehalten hat oder daß es sich hier um einen Verwandten handelt? Dann kann auch von einer Glockengießerfamilie Ehlers gesprochen werden. Hat also der Glockengießer Ehlers zeitweise seine Werkstatt verlagert? Dafür spricht unter anderem die Inschrift „1699 Otto Ehlers" auf der Glocke in der Pfarrkirche in Havelberg, die Überlieferung „Durch große Hitze bin ich geflossen, Otto Elers hat mich gegossen in Havelberg 1705 in Octo- ber". Diese Glocke war für Krampfer bestimmt. Der Meister gab einer Glocke der Kirche die Information „Otto Ehlers" mit auf den Weg.
Keine Daten über Putlitzer Glocken
Über die Glocken für Putlitz liegen mit Namensangabe keine Daten vor. Es gibt noch manche Glocke in der Prignitz, deren Meister nicht bekannt ist. Sind vielleicht Otto Ehlers Kunstwerke durch die auch die Kirchen vernichtenden Stadtbrände (zum Bei- spiel 1684, 1691) Opfer der Flammen geworden? Wer schuf die große und kleine Bronzeglocke, die in dem Fachwerkkirchturm von 1772 ihren Platz fanden?
Hat man sie aus dem sicherlich schon um 1700 gegebenen vorherigen Glockenstuhl (zur Zeit von Otto Ehlers) übernommen? Es war vor 100 Jahren, als diese beiden Glo- cken in Berlin eingeschmolzen wurden und zu Ostern 1897 erstmalig drei Bronzeglo- cken der Gießerei Collier zum Gottesdienst riefen. Auch diese Bronzeglocken sind einst (zwei bereits im 1. Weltkrieg) für „Volk und Vaterland" eingeschmolzen worden.
Seit 1922 gehören, wie es die Inschrift bekundet, Stahlglocken aus dem Stahlwerk Lauchhammer/Torgau zum Geläut. Die im 2. Weltkrieg abgegebene letzte Bronzeglocke konnte 1955 durch eine Spende der Geschwister Nagel ersetzt werden. Nach der Wende wurde die Glockenaufhängung durch eine metallene Konstruktion aus- getauscht. Heute genügt schon ein Knopfdruck, um die Glocken zum Klingen zu bringen.
Lehrer engagierten sich für Putlitz.
Rektor Ernst Euen trat 1919 die Nachfolge von Rektor Lemke an und übergab diese Funktion 1933 an den Schulleiter Zucker ab. Euens Verdienst ist es, daß das jährliche Kinderfest zu einem Volksfest wurde. Ausgangspunkt war die Eröffnung der Veranstal- tung vor dem Rathaus. Von dort aus ging es dann durch die geschmückte Stadt in den Bürgerpark. Nach dem Ablauf eines vielgestaltigen Sport- und Kulturprogramms erfolgte unter der Friedenseiche die feierliche Verabschiedung der Teilnehmer. Stets haben sich auch Lehrer den gesellschaftlichen Aufgaben in der Gemeinde gestellt. Ernst Euen nahm als Abgeordneter in den 20er und zu Beginn der 30er Jahre aktiv an den kommu- nalen Entscheidungen teil. Ihm ist es mitzuverdanken, daß in Putlitz höhere Klassen zum Bildungsangebot gehörten.
Dieses Engagement für die Kommune haben Lehrer der Putlitzer Schule bis in die Gegenwart bewiesen, unter ihnen Stadtverordnete, mit deren Namen in der Stadt be- stimmte Engagements verbunden sind.
Stellvertretend dafür dürfen Fritz Poltz (Schuldirektor 1952 bis 1968, Schalmeienka- pelle), Hans Rieche (ehrenamtlicher Bürgermeister 1989 bis 1994, Fanfarenzug) und Erwin Burzyk (PSV 1921, Vorsitzender Festkomitee für 1050-Jahrfeier) genannt werden.
Wanderungen mit Pädagogen Freyer
Zu den Lehrern, die sich zur Zeit von Euen um die Bildung ihrer Eleven erfolgreich bemühten, gehört der Pädagoge Freyer. Putlitzer verbinden mit seinem Namen ein vor- bildliches Eintreten für die Wanderbewegung. Immer wieder hat er seinen
Zöglingen Klassenfahrten angeboten. Lehrer Freyer sah darin nichts besonderes, flot- ten Schritts die Hansestadt Hamburg zu erreichen, tagelange Märsche durch Spanien, Italien und Holland zurückzulegen und das Land der Marseilles auf Schusters Rappen kennenzulernen. Was für ein Glück für die Putlitzer Mädchen und Jungen, daß er Natur- kunde unterrichtete und stets zu Schulbeginn die Schüler in Wort und Bild an seinen letzten Fahrten und Märschen teilnehmen ließ. Deshalb kann man die große Betrof- fenheit der Putlitzer verstehen, als der Pädagoge im Dezember 1928 entseelt an der Mansfelder Chaussee aufgefunden wurde.
Ernst Euen - Mitglied des Vereins zur Förderung der Heimatforschung und des Heimat- museums für die Prignitz in Heiligengrabe - hat in seinen Veröffentlichungen die „Schät- ze" unserer Heimat jung und alt ans Herz gelegt. Seine Worte, einfach, gefühlvoll, warmherzig, die Liebe zu Flora und Fauna, zur Prignitzer Erde weckend, klingen z. B. so: „Schon vom Dübelshörn (Milatz Tannen) aus kann man den Reiz der Landschaft genießen. Von hieraus hat man den schönsten Blick auf die Putlitzer Ebene. Prächtig hebt sich der Burgturm von seiner dunkelgrünen Umgebung ab. Der schlanke Kirchturm bildet ein zierliches Gegenstück zu dem massigen Burgturm. Der 'Dübelshörn' erinnert an den Riesen, der in den Ruhner Bergen sein Unwesen getrieben haben soll." Dann spricht er von den Erhebungen beiderseits der Chaussee, von Freuden-, Kaninchen- und Hexenberg und schreibt: „Alle diese Hügel zeigen zwar nirgends schroffe, großartige Formen, erreichen nirgends nennenswerte Höhen, aber sie bilden Täler in reiz- vollster Abwechslung.
Landschaft gepriesen
Vor allen Dingen atmet die ganze Landschaft Ruhe, Frieden und Wohlbehagen. Das Grün der jungen Birken, welche die dunklen Tannen auf den Höhen umgeben, gibt der Landschaft ein malerisches Gepräge." Das ist ein Blick aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt Putlitz, fast auf halber Strecke nach Krumbeck, auf die schöne Prignitzer Landschaft. Und dann die schwärmenden Worte vom Wald: „Doch plötzlich ist es, als müßte der Atem stille stehen - so überwältigend ist der Eindruck des Buchen- waldes! Die gewaltigen Stämme, mit der grüngoldenen Märchenlicht der jungen Blätter, der würizige Duft des Waldmeisters das Jauchzen der Vögel, da Summen der Wald- biene müssen jeden Naturfreund mit frommen Schauer erfüllen, wenn er in die Gewölbe dieses Domes eintritt. „Tritt" man in das Hainholz vor den „Toren" der Stadt Putlitz ein, wandert entlang einsamer Waldwege, dann wird der Erholungssuchende auch heute die Gefühlsstimmung des Putlitzer Pädagogen nachempfinden. Die Worte von Euen werben für die Prignitz, Putlitz und das Kleinod Stepenitz. Euen hat durch seine Öffentlichkeitsarbeit ebenfalls historischse Geschehen aufgearbeitet. Seinem Bei- spiel folgten weitere Putlitzer Pädagogen wi z. B. G. Thieme, Konrektor Rudolf Wiese und in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts Sohn Herbert, Max Adam und Christel Köhler
Lehrjahre waren keine Herrenjahre
Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Wie oft mag dieser Spruch zu Gehör gekommen sein, vom Vater zum Sohn gesagt, vom Lehrherrn dem Eleven in der Praxis nahe gebracht. Und in diese Kerbe hat auch der Geselle „gehauen". Manchmal entsprach das Verdeut- lichen der Aussage von verschiedener Seite aus einer handfesten Unterweisung.
Auch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war es gang und gäbe, daß die Berufs- ausbildung nach dem achten Schuljahr begann. So wird in einem Bericht angegeben, daß ein Putlitzer Junge zu Anfang der 20er Jahre in seiner Heimatstadt eine Lehre in einem holzverarbeitenden Betrieb aufnahm, fünf Tage vor dem 14. Geburtstag. Man kann in dem Alter schon die gewünschte Körpergröße besitzen, aber oft ist es nicht der Fall. So mußte dieser junge Bursche, um an der Werkbank arbeiten zu können, ein brei- tes Brett über zwei Bohlen legen. „Lütt is he sche", meinte die Meistersfrau, „öwer he kann sche noch wassen." Auch die Gesellen haben den Lehrling spüren lassen, daß auf ihn keine Herrenzeit wartete. Es war Usus, der Auszubildende hatte für die Gesellen so manchen Gang und manche Zuarbeit zu leisten.
Von morgens bis abends 7 Uhr
Dabei konnte ein Teil der Mittagspause draufgehen. Auf die reguläre Arbeitszeit entfiel fast der ganze Tag. Morgens um sieben Uhr hatte man in der Werkstatt zu sein. Der Arbeitstag begann damit, daß die Chefin ein Tablett mit Kaffee und beschmierte Brote rausreichte, eine prima Sache. Dann hieß es zunächst, einige Eimer voll Wasser aus Nachbars Pütt heranzuholen. Das wiederholte sich am Tage je nach Bedarf, besonders oft dann, wenn die große Wäsche auf der Tagesordnung stand. Der Arbeitsrhythmus wurde durch das Mittagessen beim Handwerksmeister und meistens durch eine volle Mittagspause unterbrochen. Der Lehrling wußte, daß bei normalem Ablauf die reguläre Arbeitszeit abends um 7 Uhr beendet war, ob Montag oder an den anderen Werktagen. Und sonnabends? Ein ganz normaler Arbeitstag, 12 Stunden beim Meister. Danach konnte sich der Auszubildende auf den Sonntag freuen!
Halt, um 7 Uhr hieß es sich am 7. Tag der Woche beim Meister einzufinden. An diesem an sich arbeitsfreien Sonntag gab es wie gewohnt das kräftige Frühstück - und dann galt es, die Werkstatt auf Vordermann zu bringen.
Da wurden die Holzenden zerhackt, die Späne für die kalte Jahreszeit eingelagert und alles so richtig sortiert, gereinigt, eben gründlich aufgeräumt. Das Beste war natürlich dann das Mittagessen der Meisterin. Danach stand dem Lehrling das „lange Wochen- ende" zur freien Verfügung.
Am Montag, morgens um 7 Uhr, begann der gleiche Rhythmus. Der Lehrling konnte also teilweise an der Hausverpflegung teilnehmen und freie Logis erwarten. Auch die Unterkunft gestaltete sich zu jener.Zeit spartanisch wie z. B. in der Wilhelmstraße, dort wo zwei Handwerksbetriebe gemeinsam sich den Hof teilten. Geld stand den Lehr- lingen tariflich nicht zu. Da war es schon ein Erlebnis, wenn der Schusterlehrling das Schuhwerk bei der Burghofer Mamsell Frau Thomas abgab und dabei 50 Pfennig in die Hand gedrückt bekam. Keine Herrenjahre: Das spürten die Eleven auch auf dem Tanz- boden. Oft entschied der Geselle darüber, wann der „Stift" den Heimweg anzutreten hatte. Zu den Lehrjahren gehörte selbstverständlich der Besuch der Berufsschule. So sah man in den 20er Jahren die Eleven zum Schulgebäude am Kirchplatz eilen. Hier saßen die Lehrlinge der verschiedenen Gewerke „zu Füßen" von Rudolf Wiese. Am Vormittag hatte der Pädagoge den Grundschülern Wissen vermittelt, jetzt ging es um theoretische Kenntnisse für den künftigen Gesellen. Des öfteren beschäftigten sich die Stadtver- ordneten mit diesem Thema. So faßten sie z. B. am 25. Juli 1925 den Beschluß, die hiesige Gewerbliche Fortbildungsschule am 1. Oktober beginnen zu lassen. Es wurde mit 50 Schülern gerechnet. Fünf Unterrichtstage in der Woche waren vorgesehen. Die Stadtväter legten fest, auf staatliche Zuschüsse zu verzichten, um nicht die vielen Sonderbestimmungen beachten zu müssen.
Vierzehn Mark Berufsschulgeld
Der Magistrat hatte den Vorschlag unterbreitet, pro Lehrling und Jahr zur Deckung der Unkosten ein Schulgeld von 14 Mark zu erheben. Auf Wunsch der Abgeordneten wurde der Unterricht in die Abendstunden gelegt, von 6 bis 8 Uhr. So manche Lehrlings- generation erhielt im Laufe der Jahre in Putlitz die notwendige theoretische Unterwei- sung, und unter der Obhut der Meister und Obermeister eine gediegene praktische Ausbildung. Und dann war der Tag gekommen, da sah man z. B. den Schuhmacher- lehrling aus der Wilhelmstraße zum Obermeister Fritz Breuel am Viehmarkt eilen, unter dem Arm Ledermaterial. Dort wurde das Gesellenstück gefertigt. Und wenig später ging es auf in den „Kaiserhof" in Wittenberge. Hier nahmen die Meister die theoretische Prü- fung ab.
Nun konnte das Geldverdienen beginnen, Ende der 30er Jahre erhielt der Schuh- machergeselle in der Wilhelmstraße pro Woche 18 Mark. Der tüchtige Nachwuchs hat dann später als Altgeselle und Handwerksmeister sein Können unter Beweis gestellt. Doch eins sollte noch hervorgehoben werden, daß die Ausbildung vor Jahrzehnten hohe Fertigkeiten bei den Arbeitsgängen erforderte, die heute nur noch von Maschinen ausgeführt werden.
Oh´n Schlaarn un Pantüffeln - dar güng nich
Schaut man sich Fotografien vom Beginn des Jahrhunderts an, sieht man auf Familien- bildern, Klassenaufnahmen Groß und Klein meist in Sonntagskleidung, mit mancher Rüsche, schickem Kragen, Halsbinder und nicht zu vergessen mit blanken Schnürschu- hen. Und der Arbeitsmann zeigt sich oft in Stiefeln. Ob jung oder alt, manch einem wäre es nicht schwer gefallen, die Tage zusammenzurechnen, an denen er im Jahr und vor allem im Sommer festes Schuhwerk getragen hat. Die Kinder sind natürlich bei warmen Wetter barfuß gelaufen, tagein, tagaus. Und wenn es kalt wurde, dann gab es nicht den Griff zur Sonntagsausstattung, zu dem Lederschuhwerk. Da standen ja im Regal „de Schlaarn" und es war so bequem und einfach hineinzuschlüpfen, und ab ging es mit den „Pantüffeln", zum Spielen, zur Schule, zum Einkaufen, zur Arbeit, zur Nachbarin. Heute sagt man dazu Holzpantinen.Der Bedarf an Pantinen war groß, auch das Angebot der „Schlaarnmoker" in Putlitz, von Generation zu Generation so u. a. vor 130 Jahren durch den Pantoffelmacher Krägel. Zu Beginn des Jahrhunderts gab es schon das Eckgehöft von Wilhelm Thoms unweit vom Viehmarkt, wo die Chausseestraße in die Karstädter mündet, heute von der breiten Straße und der angrenzenden Grünfläche eingenommen. Und wenn die Putlitzer zur Zeit des Kaisers ein Pferdefuhrwerk dort halten sahen und der Lenker Material ins Haus trug, dann war das für den Meister gedacht, kein Holz, sondern Leder.
Und das Holz? Die Holzbeschaffung war natürlich die erste Aufgabe. Zu jener Zeit war es gang und gäbe, daß an den Feldrainen, Gräben und Wegen Bäume gepflanzt wurden, oft Pappeln, Weiden und Erlen, teilweise vom Wildwuchs, aber auch von Plantagen besorgt. In dieser Reihenfolge eigneten sie sich für die Pantinenproduktion. Es gab natürlich auch noch andere Interessenten für das Holz, wie z. B. die Sägerei Muß, auch hier ein kleines Konkurrenzstreben. Wilhelm Thoms suchte also die Eigen- tümer der Laubbäume auf und hat insbesondere Pappeln gekauft. Und dann hieß es, mit Mann und Maus, ob Meister, Geselle, Lehrling, Familienangehörige und Ver- wandte, in die Feldmark ziehen, die Bäume fällen, in Scheiben zersägen. Das geschah insbesondere im Herbst, Winteranfang.
Zum Handwerksbetrieb gehörte eine kleine Landwirtschaft und damit ein Pferdege- spann. Die Holztransportfrage war damit geklärt. Wissen, Tüchtigkeit, ein gutes Auge waren schon nötig, um die Holzscheiben mit Axtschlägen auf dem angesetzten „Schlo- genkopp" (Keil) so zu spalten, daß das Holzstück für die gewünschte Pantinengröße geeignet war, also möglichst wenig Abfall anfiel. Dieses hat auch der Sohn Hans Thoms beim Vater erlernt. Im 93. Lebensjahr erinnerte er sich daran, daß das Spalten (Klöwen) meist in der gewünschten Form verlief. In der Werkstatt wurden die Holz- stücke in die „Schniederbank" geklemmt, deren Spannung durch Fußdruck bestimmt werden konnte. Entsprechend dem aufgezeichneten Fußmaß wurden die Pantoffel mit unterschiedlichen Zugmessern herausgeschnitten. Zum Festmachen des Oberleders wurden von der Drahtrolle die gewünschten Längen abgeschnitten und davon auch die notwendigen Krampen gewonnen.
Die Nachfrage war zeitweise kaum zu schaffen, manche Bestellung ging nach außer- halb von Putlitz, auch ins Mecklenburgische. Immer wieder traten Interessenten in die große Stube, da stand Modell an Modell, und der Auftraggeber konnte seine Auswahl treffen. Ob z. B. bei Nette-Schulz, Otto Schulz, Paul Haker oder Hermann Schmidt - überall gehörten die Holzpantinen zum Angebot. Es gab auch Kunden, die ließen sich bei Wilhelm Thoms Maß nehmen und erhielten so speziell angefertigte Holzpantinen. Auch mancher Arbeitsmann verrichtete sein Tagewerk in Pantinen. Wenn die Maurer- socken angezogen waren, dann schlüpfte der Handwerker in die Pantinen mit dem extralangen Lederschaft, genau so wie bei den „Pantüffel" für den Schmied.
Auch wenn die Holzpantoffel nur etwa zwei Mark kosteten, für manchen Familienvater mit einem Wochenlohn von drei Mark lohnte es sich trotzdem, zur eigenen „Tochbank" zu greifen, das Pappel- oder Weidenholz in diese Zugbank einzuspannen und mit den verschiedenen Zugmessern die Pantinen für die Kinder zu formen. Das Schaftleder von den alten Stiefeln kam so zu neuen Ehren. Wie oft wurden sie dann getragen? Obwohl Vater vorsorglich vom Fahrradreifen ein Stück untergenagelt hatte, waren „de Schlaarn" bald dünn wie ein schwaches Brett. Und als das runde Leder auch Putlitz eroberte, da haben die Jungens die Pantoffeln mit Band fest am Fuß verschnürt, und so konnte das Bolzen seinen Lauf nehmen.
Mit dem Pantinenherstellen haben sich in Putlitz mehrere beschäftigt, wie z. B Köhler von der Siedlung Bornhoeft von der Chaussee Straße, besonders in der arbeitsarmen Winterszeit, so auch der Dachdecker Karl Betke. Und wenn 1928 in de Karstädter Straße 14 de Pantinenmacher Kunz an Wirken war, so hoffte auch auf einen Absatz- anteil.
Wie gesagt, das Tragen de Holzpantinen gehörte zum täglichen Leben. So begaben sich die hübschen Mädchen mit Pantoffeln in die Stadt auch zum Liebsten und dabei vielleicht daran denkend, daß den Pantoffelteil für die Ferse oft ein inniger Spruch zierte, der mit dem Gefühl dem Geschehen in Einklang stand. Hans Thoms erinnerte sich daran, daß in seiner Jugend zu manchem Fest de Holzpantoffeltanz zählte, Oh'n Schlaarn güng dat nich
Ortsname vielleicht von »schwarzen Göttern« abgeleitet
Die Siedlungsbezeichnung hat von seiner Ersterwähnung (946 Pochlustim) an manche Änderung in der Überlieferung erfahren (u. a. 1319 Potlist, 1492 Pothleest, um 1545 Potzlitz, Potlitz, 1600 Puthlitz, s. W. Wauer). Neben der dargelegten bekannten Erklä- rung des Stadtnamens durch S. Wauer („Brandenburgisches Namenbuch", Teil 6, Weimar 1989) soll aus Informationsgründen nachfolgender Auszug aus dem Werk von Dr. H. Berghaus aufgeführt werden: „Man hat die Etymologie des Namens in den wendi- schen Wörtern 'Boch', Gott und 'Luezi' (?), Gehölz, gesucht. Allein nimmt man an, daß in dem Namen Pochlustim ein Schreibfehler und die folgende Schreibung in den Bestä- tigungs-Urkunden von 1150 (s. Pothlustim) und namentlich von 1179 (s. Potlustin) die richtige sei, so haben wir es mit einem zusammengesetzten Namen zu thun, in wel- chem die erste Silbe 'Pot' die Präposition unter, bei, zu ist und die Endsilbe 'in' eine Col- lektiv-Bedeutung hat, das Stammwort 'lust' aber auf die Wurzel 'Lutsch' zurückgeführt werden kann, und dieses weibliche Hauptwort gebrauchen im Slawenland die Fischer, um ein Bündelchen brennender Kienspänchen zu bezeichnen, wobei sie bei Ausübung ihres Gewerbes die Fische blenden. Wäre aber dennoch die erste Form richtig, so läßt sich an einen der schwarzen Götter des slawischen Mythos denken, an einen der Tschernobogi oder Tzörni Zimeniki, d. i. schwarze Wintergeister, wie die letzten Wenden an der Jetze sie nannten, nämlich an 'Poklus', den Höllengott und Lenker der Regen- wolken, der Finsternis, des Sturmwindes und aller fliegenden bösen Geister" (Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Nieder- Lausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts, 1. Band, Brandenburg 1854).
Der Ausschnitt des Meßtischblattes Putlitz (Basis: „KGL. Preussische Landesaufnahme 1879, Herausgegeben 1881, MM: 1:20 000) zeigt neben der Siedlung (1850: 157 Wohnhäuser, 1610 Einwohner) einen Teil des Umlandes. An der Pritzwalker Chaussee bzw. Straße ist in Höhe der letzten Wohnhäuser eine Sandgrube (einst Klöterberg) ein- getragen. Diese wie die noch von Putlitzern in Aktion erlebte Nagelsche Kiesgrube gegenüber der Tankstelle hatten einst ihre Bedeutung für die Bauwirtschaft. Die Lage des Städtischen Friedhofes läßt die Begrenzung durch den damaligen Verlauf des am Burghof abzweigenden Schmarsower (Mertensdorfer) Weges erkennen. Die Eintragung
„Vw" (Vorwerk) zu Burghof verweist darauf, daß zu Beginn des vorigen Jahrhunderts das Gut Burghof noch direkt am Burggelände (Meyenburger Str.) seinen Standort hatte und zunächst an der Pritzwalker Straße nur eine Schäferei bzw. Holländerei mit Haus, Stallung und Bergeraum gegeben war. Bis in die Gegenwart hat das Wirtschaftsge- bäude an der Straße den Namen „Alter Schafstall".
Interessant ist der Standort der Ziegelei auf dem Burghofer Feld. In den 20er Jahren ist Max Bina von der Gartenstraße aus immer wieder zum Betriebsgelände der an der heutigen Straße Burghofer Feld eingetragenen Abdeckerei geeilt. Auch der Nachfolger Wilke und sein Sohn haben dem Gewerbe gedient, mit Pferdefuhrwerk und Winde so manchen Tierkadaver abgeholt und dann immer wieder Feuer unter den großen Kes- seln entfacht. In weitem Umkreis nahmen die Bürger in Abhängigkeit vom Wind unge- wollt daran teil.
An der Karstädter Chaussee, unweit der Roten Baek, wird auf den einstigen Standort eines Kalkofen hingewiesen. 1869 konnte der Putlitzer Maurermeister Wilke auf die Zustimmung für den Bau des Kalkbrennofens auf dem Kirchenlandverweisen (Flurbezeichnung Kalkgraben). Auf der anderen Straßenseite sah man zu Beginn des Jahrhunderts Windmühlenbesitzer Otto Rump am Wirken. Scherzhaft sagte er einst:
„Ick hew dree un halw Dutzend Kinner." Ja drei Mädchen und sechs Jungen, unter ihnen drei spätere geachtete Müllermeister. Nur das Wohnhaus von 1870 kündet noch aus jener Zeit, die Mühle war zur Kaiserzeit abgebrannt.
Vor dem PritzwalkerTor
Putlitz - ein historischer Rückblick vor der 1050-Jahr-Feier 1998 (Folge 75)
Das Foto zeigt aus der Zeit vor 1927 die heutige Karl- Marx-Straße in Blickrichtung Stadtzentrum. Die Häuser im Vordergrund, links das Grundstück der Bäckerei Koch (heute Bäckerei Jürgen Janasch) und rechts das der Stellmacherei Meeske (heute Karosseriebau Diedrich Schultz) gehören genauso wie das davor heute noch in Nach- barschaft stehende Haus der damaligen Gärtnerei Hansen (heute Elektroin-stallation Gerd Koß) bis heute zum Stadtbild. Ebenso das sich auf der rechten Straßenseite anschließende, einst von Tierarzt Eggert bewohnte Haus (hinter nordmärkische Bank eG). Der Tierarzt hatte einen engen Kontakt zum Fleischermeister Höger (heute Flei- scherei Werner Korn) auf der anderen Straßenseite. Im Nachbarhaus, einst Friedrich- straße Nr.23, bot Waldemar Behrens außer Fahrrädern, Zentrifugen, Eisenwaren Haus- und Küchengeräte an. Im Mittelalter ist so mancher Planwagen, der den alten Handels- weg Pritzwalk - Parchim nutzte, hier entlang gefahren, um kurz darauf hinter der heuti- gen Kreuzung das Pritzwalker Tor zu passieren. Vor Jahrhunderten sah man hier eben- falls jene Kaufleute, die von Perleberg kommend vor dem Karstädter Tor und der Stadt- mauer in Richtung Meyenburg weiter zogen. Im frühen Mittelalter hat sich durch das Pritzwalker Tor an manchen Tagen ein Zug stadtauswärts begeben. Jene Unglück- lichen, die man schon für geringfügige Vergehen mit dem Tode bestrafte, mußten dann zu Fuß oder auf dem Karren den letzten Weg zur Richtstätte zurücklegen. Auf dem Galgengarten, jenem dreieckigen Landstück vor dem Pritzwalker Tor (in Nachbarschaft der früheren Eisenbahnstrecke Suckow) waltete der Putlitzer Scharfrichter seines Am- tes. Zu seiner Einnahmequelle gehörte stets die Abdeckerei, auch nach dem Ende des Scharfrichteramtes. Auf dem Meßtischblatt Putlitz (1881, Ausgabe 1952) ist der Stand- ort der Abdeckerei auf dem Burghofer Feld zwischen der Karstädter und Pritzwalker Zufahrtstraße eingetragen. Die Edlen Herrn zu Putlitz haben den Scharfrichtern des Öfteren ihre Rechte im Zusammenhang mit der Abdeckerei bestätigt. So erklärt z. B. Al- brecht Gottlob Ganss, Edler Herr zu Putlitz, am „26. Marti Anno 1718", „... alle ... Unter- thanen in Fleken und Dörffern dahin anzuhalten, dass, so oft einem oder dem andern an allerhand Vieh etwas abstehet, Sie solches dem Scharffrichter ungesäumet ansagen, in Entstehung dessen aber dem selben die Haut bezahlen ..."
Die Abdeckerei hat noch zu Beginn unseres Jahrhunderts gute Einnahmen gebracht. Inhaber Benna bot 1927 dem Putlitzer Magistrat das zur Abdeckerei gehörende Grund- stück für 20 000 Mark an und forderte für das Privileg zusätzlich 36 000 Mark. Doch auch damals hatte die Stadt Geldmangel.
Beim Betrachten des Fotos fallen die Vorgärten auf der rechten Straßenseite auf, bis fast zum Pritzwalker Tor. Sie haben die Fahrbahn stark eingeengt. Auch wenn die Stadtväter zur Zeit der Bildaufnahme noch nicht den heutigen Verkehr ahnen konnten, haben sie schon vor 70 Jahren die Anlieger angesprochen, diese Flächen an die Kom- mune abzutreten. So kam es am 28. Oktober 1927 in Höhe der Eggerschen Vorgärten zu einem Ortstermin, es ging um 180 Quadratmeter. Alles muß gut verlaufen sein, die heutige Straßenbreite vor dem einstigen Pritzwalker Tor bestätigt das.
Auch heute ist der vorgestellte Straßenabschnitt durch eine rege Geschäfts - bzw. Betriebstätigkeit gekennzeichnet. Das bestätigen seit Jahren neben den bereits genannten Betrieben u. a. der Gartencenter H. und B. Blumenthal und die Schmiede Albert Eisermann.
Der Bahnhof Putlitz West.
Im Mai 1968 endete die Geschichte der Strecke Putlitz - Berge und des Westbahnhofs.
Im Jahre 1911 trafen in Putlitz West die ersten Fahrgäste aus Klein Berge oder z. B. aus Schwienekowen ein. Oft war es so, daß zum Zählen der zum Hauptbahnhof Putlitz Weiterfahrenden zehn Finger ausreichen, denn nur wenige wollten in einen Anschluß- zug in Richtung Pritzwalk umsteigen. Natürlich wußte die „Eisenbahnbesatzung", ob Lokführer Müller oder Münnig, Zugführer Brack oder Falk oder z. B. Heizer Otto Fritz, daß an der Karstädter Straße einige Zeit zum Aussteigen eingeplant werden mußte. Wenn sich der Zug dem Hülsebecker Damm näherte, gab der Lokführer das Warnsignal für die Ein- und Zwei- PS-Fahrzeuge. Es hieß Dampf wegnehmen, langsam abbrem- sen, denn die Strecke zum Bahnhof West fiel ab. So zuckelte die Lok vorsichtig über die Stepenitzbrücke, und die beiden Reisewagen kamen vor dem kurzen Bahnsteig zum Stehen.
Die Arbeiter auf dem angrenzenden Wirtschaftshof von Kommerzienrat Berger sahen vor allem wochentags Lütkendorfer, Sagaster und Hülsebecker mit und ohne Gepäck stadteinwärts eilen. Auffällig war schon, wenn einige Herrn gleich linkerhand in das erste Gebäude eingekehrt sind. Vielleicht lag der Grund darin, daß sie dem tüchtigen Ofensetzer Franz Rump einen Auftrag übertrugen. Doch nachdenklich konnte der Beobachter dadurch werden, daß der Aufenthalt des Bahnreisenden bei Rumps länger dauerte. Mit der Inbetriebnahme von Putlitz West hatte der Anlieger die neue Markt- lücke erkannt und nicht nur Platz für eine Theke in seinem Haus gefunden. Es soll vorgekommen sein, daß einige Hartnäckige nach der genannten Sitzung im Café Rump direkt wieder zum Bahnhof Putlitz West eilten bzw. es versuchten.
Dort wurden sie bestens durch die Agentur Gutschmidt versorgt. Tagtäglich begab sich Erna Gutschmidt zu den Abfahrtszeiten von ihrem Haus in Nachbarschaft des Gast- hauses Neubecker zu ihrem Arbeitsort. Die auf dem Foto zur Straßenseite angeord- neten Fenster gaben den Blick in den Aufenthaltsraum frei, in dem durch ein Gitter ein Arbeitsplatz abgeteilt war. Die Agenturleiterin reichte die Billetts 2. oder 3. Klasse den Kunden zu, manchmal auch ein Expreßgutstück, und das von Jahr zu Jahr, auch nach 1945. Die Eisenbahner, ob der Ehemann der Agenturleiterin oder jener Rottenarbeiter, dessen schickes Wohnhaus an Bahnhof und Bleiche grenzte, konnten natürlich ohne Fahrkarte einsteigen. Oft stapelten sich auf den Holzbänken Pakete, Körbe und Taschen. Hektik gab es nicht. Der Service der Bahn reichte soweit, daß der Zugführer einige Schritte seitwärts ging, um so freien Blick zu Rumps Gaststätte zu haben. Erzählt wird, daß die Dampflok hin und wieder noch ein letztes Warnsignal an den fröhlichen Zecher „abschickte".
Aber was für ein furchtbares Signal, eine Stunde vor dem Einmarsch der Roten Armee. Nachts um 24 Uhr schreckte Putlitzer ein Getöse aus dem Schlaf, die Wehrmacht hatte die Eisenbahnbrücke am Bahnhof West gesprengt. Wochenlang war jenseits der Stepe- nitz der Haltepunkt. Und was für ein trauriges Ereignis am 8. Mai 1945 am Bahnhof. Der zwölfjährige Werner Bruhns und gleichaltrige Flüchtlingskinder fanden beim Spielen am Bahndamm (heute Bauhof) eine mit zwei Drähten verschnürte Blechkiste in der Größe eines Schuhkartons. Taschenmesser und Feile reichten zum Öffnen nicht aus. Der Hantierende sagte: „Holt zwei Steine." Und dann die ohrenbetäubende Detonation. Die Sprengkraft zerriß den Knienden, den am Bahndamm stehenden Jungen erfasste ein tödliches Flammenmeer. Werner Bruhns wurde von der Druckwelle zu Boden ge- schleudert und schwer verletzt. Am Bahnübergang Putlitz West ereigneten sich in der Folgezeit zwei tödliche Verkehrsunfälle. So manche Flüchtlingsfamilie betrat am Bahn- hof West zum' erster Mal Putlitzer Boden, die spätere Heimat. Und auch sie haben die Eisenbahnverbindung oft genutzt.
Und dann kam das Jahr 1968, das Aus für immer. Vormittags fuhr aus offiziellem Anlaß zum letzten Mal der Dampfzug mit Lokführer Werner Rossig und Heizei Günter Hei- nicke von Berge zum Bahnhof West. Doch die allerletzte fahrplanmäßige Tour unter- nahm abends am 26. Mai 1968 der Triebwagenführer Otto Fratzke mit der VT 135040. Der folgende Rückbau der Strecke Putlitz - Berge beendete die Eisenbahngeschichte von Putlitz West.
Putlitzer Frauen im Dienste ihrer Mitbürger
Bei der Zusammenstellung einer Chronik findet das Schaffen und Arbeiten der Männer stets Beachtung. Wenig Platz bleibt oft für das stille Wirken bzw. emsige Rackern der Ehefrauen im Haushalt und für deren umfassende Sorge bei der Betreuung und Erzie- hung der Kinder. Das war besonders in der Vergangenheit eine große Leistung, ohne jede Haushaltstechnik, oft bei einem eng bemessenen Haushaltsbudget und fehlender Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Kinderbetreuungseinrichtung, und all das bei einer oft großen Kinderschar. Viele Frauen standen außerdem im Arbeitsprozeß, ob als Mithelfende im Handwerksbetrieb, in der Landwirtschaft, in der Heimarbeit oder im selbständigen Berufsleben.
Beispielgebend soll hier Gemeindeschwester Auguste Wieser genannt werden. An sie erinnert eine große Grabplatte am Friedhofseingang. Sie hat 1933, ein Jahr vor ihrem Tode, für die Ausstattung der Leichenhalle Sorge getragen. Auguste Wieser, zu jeder Zeit für die Mitbürger ansprechbar und hilfsbereit, ist den Älteren noch bekannt. Von ihrer Wohnung in der Königstraße ist sie in viele Häuser geeilt, hat Verbände gewech- selt, Medizin gereicht, Trost und Zuversicht gegeben. Sie war fürwahr eine gewichtige Person.
Das kann uneingeschränkt auch von der in der ersten Hälfte des Jahrhunderts tätigen Gemeindeschwester Elisabeth Mahlow gesagt werden. Zierlich und fein von Statur, war für sie von der Wilhelmstraße aus kein Weg zu den Hilfesuchenden zu weit.
Zu ihrer Zeit gab es noch eine weitere wichtige Adresse, die oft auch von Familien- vätern aufgesucht wurde, aus Angst und Sorge um die Ehefrau. Ja, zu Beginn unseres Jahrhunderts handelte es sich dabei um das Haus mit dem spitzen Giebeldach in der Waagestraße. Ob Werk oder Feiertag, Tag- oder Nachtzeit - Menschen eilten zu dem Haus und übermittelten oft aufgeregt eine Nachricht. Hier soll an das Wirken einer Put- litzerin erinnert werden, für die es nichts Außergewöhnliches war, wenn sie auch nachts gerufen wurde. Schnell griff sie zu ihrer Tasche und machte sich auf den Weg, egal ob Regen oder Schnee, Sonnenschein oder stockdunkle Finsternis. Ihr war bewußt, daß Hilfe dringend benötigt wurde. So manches Kind aus Putlitz oder umliegenden Dörfern hat erst nach Jahren von den die Eltern erfahren, daß Frau Glaser aus der Waage- straße auch ihren Start ins Leben begleitet hat. Vor 71 Jahren durfte die Putlitzerin ein besonderes Jubiläum feiern. Die nachfolgenden Worte der öffentlichen Würdigung sagen alles aus: „Unsere hierorts und weite Umgebung rühmlichts bekannte und aller- seits bei arm und reich äußerst beliebte Hebamme Ida Glaser begeht morgen, Freitag, den 20. März, eine freudige Feier. Es ist der Dame alsdann vergönnt, auf eine 35jährige segensreiche Tätigkeit zurückzublicken. Sie hat in der Zeit 2254 Müttern in ihren schwe- ren Stunden mit treuester Gewissenhaftigkeit und mit großer Sachkenntnis mit glück- lichem Erfolg zur Seite gestanden. Ihr freundliches Wesen, ihre aufopfernde Liebe brachte ihr die große Gegenliebe und die Hochachtung aller mit denen sie verkehrt hat. Möge der Himmel die Dame recht lange bei körperlicher und geistiger Frische erhalten, damit sie ihr schweres verantwortungsvolles Amt zum Segen der ganzen Gegend noch lange Zeit ausüben kann." Wie oft hatte die Putlitzerin bis zum Ende ihrer Berufstätig- keit - auch schon vor der Jahrhundertwende - den Müttern beigestanden, einst von der Perleberger Straße und dann unweit vom Rathaus aus? Wie oft ist die Hebamme Ida Glaser, geborene Schuhmacher, zum Standesamt gegangen, um die glückliche Nie- derkunft eines Kindes registrieren zu lassen. Man erinnert sich auch der Hebammen Frau Röhl oder Frau Burger, die ebenfalls den Müttern zur Seite standen.
Eine Darstellung in diesem Rahmen kann nur Beispiele bringen. Stellvertretend für den Zeitabschnitt der DDR darf die Gemeindeschwester Gertrud Helbig genannt werden. Von 1951 an war sie länger als drei Jahrzehnte für jedermann da. Man sah sie auch mit dem Fahrrad und dem Moped auf dem Weg nach Lütkendorf, Sagast oder Hülsebeck, später mit dem Auto des Landambulatoriums. Als Schwester Gertrud schließlich mit 74 Jahren ihr Amt niederlegte, da konnte auch sie auf eine segensreiche Tätigkeit zurück- blicken.
Roß und Reiter nicht nur an der Theke in Bestform
Das Ereignis laut Überschrift ist wirklich passiert, Putlitzer können Roß und Reiter nen- nen. Wie weit und breit hat auch in Putlitz das Pferd nicht nur als Arbeitstier stets seine Bedeutung gehabt. Es existiert so manche Aufnahme, die Putlitzer bei Stadtfesten hoch zu Roß oder bei einer Kutschfahrt in die Stadtheide und bei sportlichen Veranstaltungen zeigt.
Schon zu Beginn des Jahrhunderts gehörten Pferderennen mit einem vielseitigen Pro- gramm unter Federführung des Kavallerievereins Putlitz und Umgebung zum Orts- geschehen. Als erstes Beispiel dafür soll der 6. Juli 1925 erwähnt werden. Oft wurde so ein Festtag mit einem Weckruf eingeleitet. Dann ging es hoch zu Roß durch die Stra- ßen, auf zum festlich geschmückten Rennplatz vor dem Karstädter Tor, unweit des Bürgerparks. Wie stets haben dann die West- und Ostprignitzer mit vollem Einsatz um den Sieg gerungen. Der Putlitzer Gießel übernahm zum Abschluß die Bekanntgabe der Plazierungen. Im Eröffnungsrennen des Tages konnte der Reiter vom Knorrenhof den ersten Platz belegen. Im Hindernisrennen hieß der glückliche Sieger M. Boye aus Po- rep. Beim Trabfahren kam Müller aus Pritzwalk als erster durchs Ziel, hart bedrängt vom Burower Roth vom Knorrenhof mit seiner braunen Fuchsstute. Meeser aus Sagast kam auf Platz 3.
Wenn in der Stadtchronik vom Pferderenngeschehen berichtet wird, dann darf der Familienname Krumbein nicht fehlen. So heißt es z. B. in einem Bericht, daß bei der genannten Veranstaltung der gewandte Reiter Bruno Krumbein das Jagdrennen mit deutlichem Vorsprung für sich entscheiden konnte. Beim Galopprennen hatte der Put- litzer mit seiner Fuchsstute Pech, da der Sattelgurt platzte. Bruno Krumbein hat noch Jahrzehnte nach seiner aktiven sportlichen Laufbahn vom wunderbaren Goldfuchs erzählt. Dieses Kavalleriepferd hatte Gustav Korth 1918 beim Abbau der Armee erworben, und das edle Roß wurde durch Bruno Krumbein zu manchem Sieg geführt.
Natürlich beteiligten sich die Putlitzer Pferdeliebhaber an Rennen in der Prignitz, z. B. beim Rennfest des Vereins ehemaliger Kavalleristen der Ostprignitz e. V. im Juli 1933, zur Zeit des Pritzwalker Vorsitzenden Kaufmann Adolf Schlüter. Auch hier lief ein viel- seitiges Programm, u. a. Flachrennen und für die Eleven der Pritzwalker Reitschule ein Extrawettkampf. Auch hier wurde das Können von Bruno Krumbein herausgestellt. Sein Pferd wurde der Favoritenrolle gerecht. Der achtjährige Hannibal siegte beim Dr. Schraube-Trabreiten überlegen. Und der 12 jährige Wallach Bubi des Putlitzers
Karl Dürr konnte Platz 3 belegen. Beide Putlitzer Pferde stellten auch bei den Ein- spänner-Trabfahrten ihr Leistungsvermögen unter Beweis. Hier mußte Hannibal außer Konkurrenz starten, da sein Traberblut „unschlagbar" war. Es ging auf der 2000 Meter Bahn mit einem Vorsprung von 600 Meter durch das Ziel, gefolgt von Dürrs Bubi. Die Pferdehaltung und -zucht sowie der -handel hatte in Putlitz stets seine Bedeutung. Mit Freude wird sich der Putlitzer Bruno Krumbein vor mehr als 70 Jahren mit dem Rasse- pferd dem Fotografen gestellt haben. Vielleicht hat er damit auch bei dem erwähnten Rennen Lorbeer empfangen.
Für die Ortschronisten ist die Aufnahme mit dem Bildhintergrund ein interessantes Dokument. Zum Stadtbild von Putlitz gehört auch in der Gegenwart das zur DDR- Zeit als Landambulatorium dienende Gebäude. Im Auftrage von Kommerzienrat Berger ist diese schöne Villa einst durch Um- und Anbau in den 20er Jahren aus zwei Häusern entstanden.
Ob das Pferd auf dem Foto einst vor der Theke stand, ist nicht bekannt. Man erinnert sich aber daran, daß zu der Zeit an einem Wochenende plötzlich ein Reiter mit Roß vor dem Tresen im Deutschen Hotel auftauchte, zur großen Verwunderung der Wirtsleute und Gäste. Freunde des Kavallerievereins hatten ihrem Mitstreiter G. nicht zugetraut, daß er auf dem Rücken des Pferdes über die Steinstufen den Gastraum erreicht. Doch das passierte, der hochgereichte Humpen wurde in einem Zug geleert, die Wette war damit gewonnen, zur Überraschung der Putlitzer Pferdeliebhaber C. und K.
Manches wartet noch auf Veröffentlichung über den Reitsport zur Zeit der DDR. Auch dabei durfte der Name Krumbein nicht fehlen, denn Sohn Wolfgang Krumbein hat für die Gänsestadt so manche Trophäe erkämpft.
Sechs Ochsen zogen den Dreischarpflug durchs Gemüsefeld
Vor 61 Jahren erwarb Alfred Bergmann das Gut Karlshof bei Putlitz und machte aus ihm einen leistungsfähigen Landwirtschaftsbetrieb
Putlitz -Wenn die Karlshofer auf mittlerweile 126 Jahre Gesschichte zurückblicken konnten, dann haben sie das der Gründung des Gutes Karlshof in der Feldflur zur Zeit des Putlitzer Burgermeisters Qua- dezu danken. Der Wirtschaftshof in Nachbarschaft der Stadtheide und der Karstädter Chaussee begleitete bis 1946 die Ortsgeschichte. Nach dem Begründer, Karl Dahlenberg, erfolgte ein häufiger Besitzerwechsel. Gut ein Dutzend Wirtschafter haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihr Glück auf dem Anwesen versucht, in dem Zeitraum, als mehr als zwölfmal eine Zwangsversteigerung bzw. -Verwaltung erfolgte. Im Jahre 1938 erwarb das Ehepaar Berg-
mann das Gut in Karlshof (142 Hektar). Dem Eigentümer war bekannt, daß die Wirtschaftsfläche zum größten Teil aus minderwertigem Flugsandboden bestand, eine starke Raseneisenerzbildung vorlag und eine verhältnismäßig tiefe Lage aufwies.
Erst verwahrlost, dann schwarze Zahlen
Die Übernahme des Betriebes erfolgte in einem verwahrlosten Zustand. Innerhalb kur- zer Zeit gelang es dem versierten Landwirt Alfred Bergmann, den Wirtschaftshof in die schwarzen Zahlen zu führen, und das durch eine grundlegende Umstrukturierung. Der Kartoffel- und Getreideanbau wurde fast aufgegeben. Es erfolgte der Übergang zu ei- nem feldmäßig betriebenen Gemüseanbau in Verbindung mit einer leistungsstarken Rinderhaltung als Grundlage für die Nutzung des Grünlandanteiles (20 Hektar) und als Faktor für die Bodenverbesserung. Als Beispiel sei genannt, daß die Milchleistung je Kuh und Jahr 1943 3751 Liter gegenüber 1938 mit 2950 Litern betrug. Mit einer Milchleistung von 876 Liter je Hektar führte Alfred Bergmann seinen Betrieb an die Spitze der Güter in der Westprignitz.
In der Zeit startete von Tag zu Tag der gummibereifte Milchwagen in Richtung Lock- städter Molkerei. Die Koniko- wer, die Landwirte König, Schulz und Jahnke in der Stadt- heide sowie Bergmanns wechselten sich dabei ab. Zum Anbauplan des Betriebes zähl- ten natürlich weitere Kulturen, wie z. B. Zuckerrüben und Ölpflanzen, insbesondere Raps.
Zur Entwicklung des Betriebes gehörten die Investitionen in den Wirtschaftsgebäuden. Vom Gutshaus aus gesehen, lag rechterhand ein langgestreckter Bau, der genug Platz für 70 Kopf Rindvieh einschließlich der 35 Milchkühe und der drei Ochsengespanne sowie der sechs bis acht Pferde bot. Heute weist noch (außer der großen Jauchegrube) ein Giebel auf der Wohnhausseite darauf hin. Dahinter befanden sich drei Hochsilos, in unmittelbarer Nachbarschaft des großes Teiches, der einer großen Gänseschar para- diesische Verhältnisse bot.
Auf der anderen Hofseite gab es einen Garagenkomplex an der alten Scheune. 1940 wurde dort eine neue Scheune gebaut (heute Wohnhaus). Nun fehlt in der Aufzählung das frühere Quergebäude am Sagaster Weg. So war auch der Platz für den 28-PS- Deutz- Traktor mit seinen Eisenrädern und dem 11-PS-Deutz für die Straßentransporte gegeben. Alfred Bergmann hat 1943 auf eigene Kosten eine drei Kilometer lange Hochspannungsleitung von Lütken- dorf heranführen lassen. Das von ihm erworbene Kabel für den Anschluß der Konikower fand nach 1945 noch seinen Einsatz.
20 Hektar Gemüseanbau - eine große Herausforderung. Beim Bestellen der Flächen sah man auch den großen Dreischarbeetpflug mit den Untergrundhaken im Einsatz, gezogen von sechs Ochsen. Im Kriegsjahr 1943 Beregnungsanlagen (gespeist aus Mergelgruben) für eine Feldfläche von 100 Morgen zu schaffen, das sollte schon etwas bedeuten. Um den Abtransport zu verbessern, trug Bergmann dafür Sorge, daß der vom Gehöft zur Chaussee führende Weg befestigt wurde.
Leistungsfähig in den Kriegsjahren
Der Betriebsinhaber wurde 1944 als jüngster Gemüseanbauer in den Leistungsaus- schuß für Gemüseanbau berufen. In den Kriegsjahren war Karlshof im Umkreis der lei- stungsfähigste Feldgemüsebaubetrieb, der auch die Städte Perleberg und Pritzwalk versorgte, natürlich ebenfalls Pi litz. Und dann kam das Ja 1945. Auch den Hof Bei mann erreichten Flüchtlinj trecks. Menschen starbe neues Leben wurde in Kar hof geboren. Der letzte Flücl lingsstrom mit 300 Person traf kurz vor Kriegsschluß ei Trotz kommunaler Fürspi che wurde der Betrieb £ 6. Februar 1946 enteignet, i fred Bergmann flüchtete in c BRD, war dort als Gemüses bauberater tätig und bewi schaftete ab 1951 einen i pachteten Landwirtschaftst trieb.
Sohn Kurt Bergmann gehi te zu den Teilnehme beim Treff der ehemaligen Putlitzer zum Stadtjubiläum. . der Besuch in Putlitz waren Kindheitserinnerungen an der Zeit in Karlshof.
So ein Sportereignis wiederholt sich nicht
Putlitzer Sportgeschichte haben insbesondere der Männerturnverein (MTV, 1863 gegründet) und der Sportverein (1921), der das runde Leder in Putlitz zum Rollen brachte, geschrieben. Ihnen ist es zu verdanken, daß der Leibesertüchtigung in der Stadt an der Stepenitz stets eine beachtliche Rolle zukam. Vereint haben sie ebenfalls ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihrer Heimatstadt geleistet. Als z. B. 1926 die Badeanstalt eingeweiht wurde, da konnten sie auf ein gemeinsam geschaffenes Werk zurückblicken.
Und zehn Jahre später gab es eine weitere kollektive Aktion im Interesse der überregio- nalen Sportbewegung, der Fackel-Staffel- Lauf von Berlin nach Kiel anläßlich der Olym- piade 1936 (Berlin). Nach dem Stand der Recherche gehörten zu den Putlitzer Akteuren
u. a. (im Bild v. 1.) Vereinsführer Herbert Pitschke, Karl Knebel, Albert Weidemann, Paul Knebel, Chauffeur der Firma Höpke, Siegfried Schwarz, Fritz Wöhlert, Karl Appel, Hans Bohlmann, Kurt und Hans Jaros, Hermann Dannehl, Fritz Schmidt, Heinz Stilke und Sportsfreund Laschinger.
Alles detailliert geplant
Diese sportliche Großaktion bezog in der Streckenführung die Prignitz einschließlich der Städte Pritzwalk und Putlitz ein. Um 1.50 Uhr war die Flamme am 3. August aus Richtung Buchholz auf dem Pritzwalker Marktplatz eingetroffen. Sie verblieb hier bis zum nächsten Tag um 4.46 Uhr, bewacht von zwei Agenturen. Für alles gab es eine detaillierte Planung. Sie besagte ebenfalls, daß der Putlitzer Läufer mit der Nr. 125 als erster MTVer die Fackel in die Hand nehmen wird und am Kilometerstein 0,0 das Feuer dem nächsten Vereinssportler übergibt. Zu der Zeit hatte noch der die Grenze der Westprignitz markierende große Findling am Zieskenbach an der Triglitzer Chaussee seinen Platz.
Und dann war der Montagmorgen angebrochen, grauer Nebel breitete sich aus, leichter Nieselregen erwartete die Akteure. Um 5 Uhr wurde es auf dem Marktplatz lebendig, insbesondere die Jugend erwartete ungeduldig den Staffelwechsel in der Königstraße. Doch auch an anderen Stellen auf der 13 Kilometer langen Strecke, die von Putlitzern zu durchlaufen war, hatten sich die Aktiven in ihrer weißen Sportbekleidung aufgestellt. ImTriglitzer Holz übernahm erstmalig ein Gänsestädter von einem Steffenshagener die heilige Flamme. Es erfolgte der erste Wechsel mit dem Turner Karl Appel. Sicherlich war es für ihn der Tag in seinem sportlichen Leben. Und dem werden auch die übrigen genannten Putlitzer Staffelläufer — nicht mehr alle sind namentlich in Erinnerung - voll zugestimmt haben, die z. B. an der Stadtgrenze, am Bahnhof oder an der Frie- denseiche zum Einsatz kamen.
Begeisterte Zuschauer
Überall Jubel und Begeisterung, insbesondere am Rathaus, als auch hier beim Wech- sel die Flammen der Fackel gierig zur anderen zündelten, weiter getragen, von Station zu Station bis zur acht Kilometer entfernten Mecklenburgischen Grenze. Zu den Staffel- läufern, die aus dem 2. Weltkrieg nicht heimkehrten, gehören Heinz Stilke, Kurt Jaros, Fritz Schmidt und Albert Weidemann. Die „Fackel der Sportbegeisterung", einst von den Staffelläufern „hoch gehalten", wurde nach 1945 von der nächsten Generation weiter „getragen", unter ihnen z. B. Ernst Weidemann, der als Turner am Mann- schaftskampf teilnahm, Kreismeister im 3000-Meter- Lauf wurde und beim Reitsport sein Können zeigte, oder z. B. Erhard Dannehl, der als aktiver Fußballspieler und Schiedsrichter Putlitzer Sportgeschichte mitgestaltet hat. Ja, freudige Ereignisse gehören zur Putlitzer Sportgeschichte. Sicherlich erinnern sich ehemalige Mitarbeiter vom KfL, Betriebsteil Putlitz, daran, als sie 30 Jahre nach dem olympischen Staffellauf unter Leitung des Kollegen Willimzik im Rahmen des Arbeitsprogrammes des Ortskomi- tees Vorbereitungen für das große sportliche Ereignis des Jahres trafen. Auch wenn wohl keiner die Spitzenfahrer Vogelsang (DDR) und Nassen aus Belgien erkannte und die Fahrer nur ein paar Minuten durch Putlitz fuhren, so ein Sportgeschehen wie diese Friedensfahrt ist unvergessen und wird die Stadt wohl auch nicht wieder erleben. Auch das eine Fortsetzung für sich.
Sportvereine knüpfen an alte Traditionen an
Wenn vom MTV berichtet wird, dann denkt man zuerst an die Turnerriege, die Maß- stäbe setzte. Doch ein Prinzip des MTV bestand darin, eine Vielseitigkeit in der Leibes- ertüchtigung anzustreben. Das konnte bereits zur Zeit der Weimarer Republik erfolg- reich demonstriert werden.
Blicken wir einmal in das Sportjahr 1929 zurück. Es ist in der Gegenwart nur noch weni- gen Putlitzern bekannt, daß zum Sportgeschehen des MTV auch die Sparte Faustball zählte. Ein Photo dokumentiert das heute noch. Zu den Sportlern gehörten u. a. die Brüder Hans (h. 1.) und Alwin Ziggel (v. r. sitzend), Schlossermeister Waldemar Beh- rens (r. h.) sowie der Obermeister der Tischlerinnung Friedrich Richter (4. v. 1. h.). Sohn Tischlermeister Rudi Richter war später aktiv als Fußballspieler und Schiedsrichter tätig). So fand z. B. im Juni 1929 unter Beteiligung von Putlitz
die Gaumeisterschaft im Faustball statt. Vorspiele waren bereits im Singerstadion in Wittenberge und auf dem Städtischen Sportplatz Perleberg ausgetragen worden. Zu den Meisterschaften gehörte u. a. die Teilnahme der weiblichen Jugend. Die Faustballer des MTV standen im fairen Kampf mit den Mannschaften Perleberg 62 und aus Witten- berge MtV 63, Turnerschaft 1888 und Germania. Die Gänsestädter mußten in der Endabrechnung die Überlegenheit der Mannschaft von TUS Singer und Perleberg 62 anerkennen und konnten sich mit Germania punktegleich nur auf der Position 5 oder 6 plazieren. Es ging aber um den sportlichen Wettkampf.
Auch in der Weimarer Republik bot der MTV Putlitz den Bürgern die Möglichkeit, sich der Sparte Handball anzuschließen. Es ist auch die Teilnahme am Punktspielbetrieb zu vermelden. Auch Völkerball wurde gespielt. Die Popularität des Geräteturnens nutzte man dahingehend, in Verbindung mit turnerischen Veranstaltungen die Putlitzer an den Schwimmsport heranzuführen. Da ging im Monat Juni am frühen Nachmittag mit Musik zum Bürgerpark. Zu den Turnwettkämpfen zählte u. a.: Neunkampf für die Ober- und Unterstufe, Fünfkampf für die „volkstümlichen Turner" und für die Jugend I und II ein Dreikampf. Um vier Uhr wurde zum Schwimmbad marschiert. Auch hier lief unter der Obhut von Schwimmwart Stilke ein vielseitiges Programm ab wie z. B. Sprungübungen, Dauerschwimmen, Reigen- und Rettungsschwimmen.
So konnten dann bei der Siegerehrung z. B. im Neunkampf (Oberstufe) Arnold Schulz, Reinhold Gutke und Erich Sengebusch Platz 1 bis 3 belegen, in der Unterstufe plazierte sich B. Seemann vor A. Müller. Im Dreikampf triumphierte Heinz Schumacher. Freude aber auch bei den Nächstplatzierten Schmidt und Bohlmann. Beim Schwimmen der Turnerinnen triumphierten Lotte Schulz, Erna Bohnsack und Grete Wischorek auf den platzen eins bis drei. Und vergessen wir im Juli des Jahres nicht das Prignitzer Schwimmgaufest im herrlichen Waldbad. Der Vorsitzende des MTV, Turnbruder Breul, entbot die Willkommensgrüße. Im Namen der Stadt wünschte der Beigeordnete Kalbow allen Teilnehmern einen fairen Wettkampf.
Die Vielseitigkeit der Veranstaltung kann in diesem Rahmen nicht dargestellt werden. Wenn von Körperertüchtigung gesprochen wird, dann gehört dazu, daß sich Anhänger der kleinen runden Kugeln, unter ihnen Freunde des MTV, in der Gaststätte Gutke (später Schieche) trafen, um ihr Können zu messen - auch unter Beteiligung von Anhängern der Sportart aus dem Kreis Westprignitz. Und so wird es schon die Putlitzer W. Wendeborn, F. Schmidt und R. Möllemann erfreut haben, als sie im Februar 1929 beim Billardspiel in der genannten Reihenfolge die ersten Preise überreicht bekamen. Dieser Sportart konnte man sich auch in der Gaststätte Hinze widmen. An Werbever- anstaltungen fehlte es nicht. Stets stand man allen Sportarten aufgeschlossen gegen- über. So lud z. B. der MTV bzw. der Schwimmverein Ende Februar 1929 zu einem besonderen Treff ein. Es ging um einen Werbeboxabend. Nachmittags war Tanz für die Kinder, abends gehörten zum Programm u. a. Boxgymnastik, Schul- und perfektes Boxen, Boxen von Paaren und danach Tanzvergnügen.
Heute knüpft u. a. der SV 1863 e. V. an den Sport vergangener Jahrzehnte an, nicht nur in der Fortsetzung der Turnerbälle und der Aktivitäten in der Kegelanlage. Im Jubi- läumsjahr konnte der SV 1863 e, V. z. B. wieder den Reitsport durch ein Turnier for- cieren. G. Jahncke
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Unterricht in der »Heide«
Wer will heute noch das erste Datum für die postalische Betreuung der Putlitzer Stadt- heidebewohner nennen. Überliefert ist, daß im Jahre 1863 der Bürger W. Thiele auf dem „der Stadt gehörigen Heiderevier sw. der Kreuzung P.-Burow und Lockstädt" einen Wirtschaftshof aufbaute. So gab es immer wieder Briefe, die für Pächter und Einlieger des Stadtgutes bestimmt waren, auch noch Mitte unseres Jahrhunderts. Es sollten aber auch Sendungen übermittelt werden, deren Adressat in der Stadtheide „Ausbau 1" oder
„Ausbau 2" sein Domizil hatte. Gemeint waren die Bauernhöfe Wilhelm König und Karl Schulz. Jahraus, jahrein sah man die tüchtigen Landwirte ihre Felder bestellen- und die Ernte einfahren. Es wiederholte sich jedes Jahr, daß vom Ausbau 1 und 2 schwerbela- dene Ackerwagen zum Gülitzer Weg gelenkt wurden, die ehrwürdige alte Steinbrücke des Sagastbaches überquerten, an Konikow vorbei in Richtung Putlitz weiterfuhren. Natürlich erfolgte vor der Rückfahrt der Einkauf, ob bei Gustav Bastian, Otto Sinow oder Carl Schulz. Umgekehrt machten sich auch die Städter auf den Weg in die Heide, nicht nur die Viehhändler. Doch halt, einen regelmäßigen Heidebesucher sollten wir nicht ver- gessen. Man wartete auf den Einspänner, auf den Planwagen, auf die Waren von Händ- ler Schumacher aus der Perleberger Straße. Es war eine prima Sache, daß der Putlitzer nicht nur die frischen Landeier als Gegenlieferung annahm. Konkurrenz belebt das Ge- schäft. Natürlich warteten die Kinder sehnsüchtig auf die Händler, denn süße Lek- kereien haben stets die kleinen Erdenbürger begeistert. Die Buben und Mädchen ka- men ja nur zum Konfirmandenunterricht nach Putlitz. Und wie war es mit dem Schul- besuch in den 20er Jahren? Das war optimal gelöst, die Stadtheidekinder kannten keinen langen Anmarschweg wie manch Erdenbürger heutzutage. Es spricht für Weit- sicht, das große Verständnis der Eltern Roth, König und Schulz für Bildungsfragen, daß sie ihren Kindern den Unterricht in der „Heide" ermöglichten, wie das schöne Foto aus der Zeit vor 70 Jahren dokumentiert. Die Ausbildungskosten wurden also übernommen, und so konnte der Pädagoge Fleischer in dem „Klassenzimmer" des Stadthofes sein Wissen vermitteln. Nach der Zeit des Pächters Roth hat der Lehrer Fleischer sein Do- mizil bei Familie König gefunden und auch hier die Kinder unterwiesen. Der Köster hatte aus dem Erkerfenster einen wunderbaren Blick in die schöne Landschaft und so wird er aus dem Unterrichtsraum des Hauses oft mit den Kindern in die Heide gewan- dert sein. Die Liebe zur Natur und das gute Verhältnis zum Gast- und Arbeitgeber ver- anlaßte den Lehrer dazu, vor dem Gehöft einen kleinen Park anzulegen. Das Photo zeigt einen Einblick. Des öfteren weilte Lehrer Fleischer bei seinem Kollegen von der Gülitzer Schule, so manches Plauderstündchen folgte dann unter der uralten Ulme. Da staunten die Gülitzer Schüler, als plötzlich am Tor des Berliner Zoos auch der Lehrer Fleischer mit den Heidekindern eintraf. Auch große Feste wurden in der Heide ausge- richtet. Als z. B. der Stadthofgutpächter Erwin Jahnke 1935 Hochzeit feierte, da war für die 300 geladenen Gäste ein großes Zelt aufgebaut worden. Niemand konnte vorher- sehen, daß der Bräutigam fast zwei Jahrzehnte später (53) in Putlitz der erste Leiter einer sozialistischen Produktionsform in der Landwirtschaft (ÖLB) wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat dieser Teil der Stadtheide eine unruhige Periode erlebt. Hier rich- tete die Rote Armee ein Lager ein. Zeitzeugen können darüber noch berichten, nicht nur von den Arbeiten im Zusammenhang mit der großen Rinderherde der Militärtruppe. Das Stadtgut war bis zur Wende dem Volksgut Burghof zugeordnet. Seine LN-Flächen hatten in der Wirtschaftsplanung des Gutes ihre Bedeutung. Die Stallungen fanden ebenfalls ihre Verwendung. Es kam sogar noch ein Rinderoffenstall hinzu. Man erinnert sich daran, daß zeitweise eine umfangreiche Hühnerhaltung und auf dem Dachboden des Gutshauses die Kükenaufzucht betrieben wurden. Auch im folgenden viertel Jahr- hundert nach dem Krieg wohnten im Guts- und Tagelöhnerhaus Landarbeiter wie z. B. die Familien Melching und Steinbrecher. Und so sah man denn auch Angehörige von Schlauß wöchentlich einmal mit dem Handwagen auf dem Marsch zum Einkaufen nach Putlitz.
Lehrer Fleischer unterrichtet in den 20er Jahren in der Stadtheide (Gutshaus)
Vom Pisselbusch bis Teigelschlag
Immer wieder bestätigt es sich, daß alte Flurkarten für den Heimatfreund so manche Information offenbaren. Tatsache ist auch, daß Begebenheiten und Zusammenhänge oft nur mündlich übermittelt werden und so die Gefahr des „Vergessenwerdens" groß ist, auch in Bezug auf Flurnamen.
Nach der Wende hat sich durch den Bau der Straße „Zur Burghofwiese" - Amtsge- bäude, Lebensmittel- und Drogeriemarkt sowie zwei Arztpraxen - die Möglichkeit ergeben, aus dem Stadtzentrum auf kurzem Weg in die Burghofer Feldflur zu wandern. Hinter der Wendeschleife überquert man den einstigen Eisenbahndamm (Strecke Suckow). Folgt man dem Steindamm nach links (in entgegengesetzter Richtung liegt in Sichtweite der Wirtschaftshof), dann führt nach wenigen Metern fast rechtwinklig ein Feldweg in die Flur, rechts und links „Schläge", früher oft zu einer 30 Hektar-Wirt- schaftseinheit vereint. Nach gut 100 Metern bemerkt der Wanderer einen zur Meyen- burger Chaussee verlaufenden Graben, die „Fule Baek", der Faule Bach. Diesen Weg sind vor und nach der Jahrhundertwende immer wieder Burghofer Tagelöhner und Schnitter entlang geeilt. Davon können nur noch wenige Putlitzer berichten, zu ihnen gehört Heinz Bohnsack.
Ein Quellgebiet des Baches (entspringt in der Weitgendorfer Feldflur) stellt das Flur- stück am Schmarsower Damm (gegenüber PAE Pflanzenproduktion) dar. Wie ist man bloß auf die Bezeichnung „Pisselbusch" („Pissebusch") gekommen? An Feuchtigkeit fehlte es dort zwar nie, heute noch sucht man Schilf in dem Terrain nicht vergeblich. Hier wird Wasser in die Faule Baek gespeist. In den 20er und Anfang der 30er Jahre hat Friedrich Neumann aus dem Armenhaus in der Gartenstraße dort Torf gestochen, zum Trocknen gestapelt und verkauft.
Daß sich die Bodenbeschaffenheit in der Putlitzer Flur schnell ändern kann, findet man auch am Schmarsower Damm bestätigt. Die Nutzer haben sich schon etwas dabei gedacht, wenn sie ein fast benachbartes Flurstück, ebenfalls an der Schmarsower Straße, „Jammerheiden" („Gammelheiden") betitelten. Die geringe Bodenwertzahl war schon ein Jammer. Hier Sand, in Nachbarschaft Lehm in Hülle und Fülle („Lehm- kuhlen"). Auch die Nutzer der an den „Pisselbusch" angrenzenden Kirchenlandflächen („Der Kirchenkamp") brauchten nicht zu klagen.
Bei der Betrachtung der Putlitzer Flur zeigt sich, daß die Familie Gans, die ihr Lehen von der Kirche, vom Havelberger Bischof erhalten hat, Flurstücke der Kirchengemeinde schenkte. Die großen Flurflächen unmittelbar vor den Toren der Stadt gehörten vor 1945 vor allem der Familie Gans und der Kirche. Wie gesagt, am Pisselbusch bzw. an dem sich anschließenden „Kurzschlag" (heute teilweise Nadelwald) gehört die melio- rierte Faule Baek zur Putlitzer Landschaft und findet ihren Lauf als schmaler Graben bis zum anfangs genannten Weg.
Blicken wir an der Stelle, wo der Bach den Weg kreuzt, nach rechts, in Richtung Schmarsower Damm, dann liegt vor dem Bach der sogenannte „Hofschlag", der also bis zum früheren Gutshof reicht. Hinter der Faulen Baek schließt sich auf der selben Seite der große „Teigelschlag" an, ebenfalls wie der folgende Kieskuhlenschlag mit einem schönen Soll geschmückt. Heinz Bohnsack weiß zu berichten, daß der Name auf einen einstigen Standort einer Ziegelei hinweist. Das muß aber schon vor mehr als 90 Jahren gewesen sein. Auf der Landkarte „Kreis Westprignitz", Herausgegeben von der Kartogr. Abteilung der Königl. Preuß. Landesaufnahme 1905 ist nur eine Ziegelei stadt- auswärts an der Mansfelder Chaussee eingetragen. An Ziegeleien hat es vor der Jahrhundertwende im heutigen Amtsbereich Putlitz-Berge nicht gemangelt. Da gibt es z. B. eine wunderbare historische Aufnahme von der einstigen Ziegelei in Bresch.
Doch zurück zur Faulen Baek, zum Kreuzungspunkt mit dem Feldweg. Zur Zeit der Tagelöhner des Adligen genau so wie in der Epoche der Landarbeiter des VEG Burghof sind hier immer wieder fleißige Erntehelfer mit einem Gefäß zur Faulen Baek geeilt und haben mit Genuß das kühle Wasser getrunken, denn hier führte eine Quelle dem Graben Wasser zu. Doch einst sah man auch abends einen Einspänner zur Faulen Baek fahren. Es war ein „Schweizer", der hier seine Fracht ablud, alles in das aus- gemauerte Viereck stellte, durch das langsam und bedächtig das Wasser der Faulen Baek floß. Das bedarf noch der Klärung.
Wo die Friedrichstraße begann
Zu Putlitz gehört heute so manche dem Betrachter erfreuende Hausfront, wie z. B. die Häuserzeile der Karl-Marx-Straße/Ecke Poststraße/Burgstraße. Nimmt man als Aus- gangspunkt die schöne Hausfront der Bistro-Bar, so war dieses Grundstück vor 1945 Friedrichstraße Nr. 1. Es ist bereits dargelegt, daß auch diese Parzelle in der Vergan- genheit verschiedenen Handwerkern eine Bleibe geboten hat. Im Haus Nr. 2 wohnte zu Beginn des Jahrhunderts Schmiedemeister Schulz, später sein Berufskollege Bäker. Das nächste Haus konnte seine Firmentradition aus der Weimarer Republik bis in die heutige Zeit erfolgreich fortführen, heute in der 3. Generation durch den Ge- schäftsinhaber Klaus Korth.
Nach der Aufgabe der früheren Polsterei Dittmann - zum Angebot gehörte ein Möbel- sortiment - begründete Friedrichstraße Nr. 3 Werner Korth sen. eine Medizinal-Drogerie. Zur Firmengeschichte gehört jener Antrag an die Stadtverordneten, der ihnen im Juli 1925 vorlag. Es wurde die Genehmigung für den Bau einer Benzintankstation vor dem Haus beantragt. Der Magistrat hat die Verhandlungen geführt und im Vertrag eine monatliche Anerkennungsgebühr von 10 Mark beansprucht. So stand der Neuerung vor dem Haus Nr. 3 nichts mehr im Wege.
Die Weitsichtigkeit des Firmeninhabers führte zum Vertragsabschluß mit den Mineralöl- werken Rhenania AG. Bereits im ersten Betriebsjahr machten Angebote auf die Tank- stelle aufmerksam. So hieß es z. B. 1925: „Achtung Kraftfahrer! Das hochwertige Benzin Marke Oetas kostet ab heute bei mir 34 Pfennig pro Liter. Benzol 40 Pfennig pro Liter." Da machte das Fahren noch Spaß. Auf diesem Sektor der Dienstleistung gab es natürlich weitere Anbieter. 1926 hatten die Stadtväter ebenfalls dem Eigentümer des Hotels „Putlitzer Hof" gegenüber vom Rathaus, Paul Schreck, die Genehmigung für eine Tankstation erteilt. Aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg sind die Zapfsäulen des Inhabers des Kolonialwaren- und Delikatessengeschäfts von Otto Schulz in Viehmarkt- nähe und des Maschinenbauers Rudolf Hefenbrock Ecke Friedrichstraße/Perleberger Straße noch in Erinnerung.
Vor der Drogerie Korth hat so mancher Kraftfahrer einen Stopp eingelegt, sicherlich auch schon zur Weimarer Republik der Modegeschäftsinhaber vis-a-vis mit seinem bekannten „Horch". Wie das Foto zeigt, hat man an den Zapfsäulen ebenfalls Produkte der Firma Shell angeboten. Zum Tankstellenservice gehörten ebenfalls „Luft" und Wasser. Auch noch zur Zeit der DDR bot Werner Korth jun. den motorisierten Kunden diese Dienstleistung. Wie oft wurden die beiden Tanks unterschiedlicher Größe bis 1965 mit Kraftstoff gefüllt (danach Minoltankstelle Gustav Schmidt in der Perleberger i Straße, ab 1992 an der Pritzwalker Chaussee).
Bereits zur Zeit der Reichstagspräsidenten war Werbung bzw. gute Information im Inte- resse der Kunden und des Geschäftes. So machte z. B. der Inhaber der Medizinal- Drogerie im September 1927 die Prignitzer darauf aufmerksam, daß am 14. des Monats eine Künstlerin unentgeltlich Unterweisung für das Färben im Haushalt erteilt. Die Vor- teile der kaltfärbenden Malex-Batex-Farben sollte demonstriert werden. Jeder Kunde bekam kostenlos einen kleinen Gegenstand, gefärbt oder gebatikt. Der Werbung wurde auch vom Nachbar eine große Bedeutung zugemessen. Eine Annonce vor 70 Jahren in Bezug Gemüse-, Obst- und Fleischangebot war signiert mit „empfiehlt H. Nette, Nach- fahren, Inhaber O. Schulz". Otto Schulz hatte das Geschäft von Nette übernommen. Sein Sohn Erich Schulz (gestorben 1977) begleitete insbesondere mit seinem Haus- haltswaren- und Werkzeugsortiment die DDR-Zeit bis 1973, zuletzt als Kommissions- händler. 1977 wurde der Umbau der Geschäftsräume vorgenommen, es begann die Zeit einer HO-Filiale (Textilwaren). Wie auch bei anderen HO- Geschäften erfolgte 1990 die Übernahme durch den Nachfolgebetrieb Märka GmbH Pritzwalk. Das Aus kam 1992.
Seit dem Jahr offeriert hier die Inhaberin Renate Hardt ein vielseitiges Angebot auf dem Sektor der Textilien und Geschenkartikel. Zur Straßenzeile gehörte in Nachbarschaft von Nette-Schulz einst die Herren- und Damenmaßschneiderei von L. Gerloff. Er warb mit dem Slogan „Anfertigung eleganter Garderoben für Herren und Damen. Erstklas- sige Verarbeitung und Bedienung". Der Handwerksbetrieb wurde 1856 gegründet.
Wo stand eins die Ziegelei
Mit der Flurbezeichnung Hamannsplan ergibt sich eine Beziehung zum ältesten Wohn- gebäude in der Straße Burghofer Feld, zum Grundstück von Heinrich Kolbow (heute Fiebig). Sein Vater Wilhelm Kolbow ist zu Beginn des Jahrhunderts aus dem Raum Marnitz zum Hülsebecker Damm gezogen und begründete hier einen Wirtschaftshof. Über viele Jahre wies die Wetterfahne auf das Jahr 1911 hin (später Hof Schräder, dann Müller). 1938 erwarb der Landwirt Wilhelm Kolbow von der Kommune die Hamannsche Wirtschaft, die schon 1911 als Stadteigentum benannt wird. Sollte die Überlieferung zutreffen, fand Bürgermeister Quade einst dort sein Domizil. Zu Beginn des Jahrhunderts wohnte in dem Haus der Bürger Mahlo (Sohn Hans Mahlo war später als Inspektor östlich der Oder tätig und hat nach 1945 in Putlitz eine Neubauernstelle übernommen). Es ist bekannt, dass man die Umgebung als „Mahlos Ruh" bezeichnete. Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts war das wohl zutreffend, denn es gab nur ein Gehöft in diesem Teil der Putlitzer Flur. Erst in den Jahren 1937/38 kamen durch den Wohnhausbau des Postbeschäftigten Eduard Genkel (Flurstück Am Siedfeld, heute Burghofer Feld 1), der Zimmermannsleute Willy Reith und Walter Lange (Altenburg) drei weitere Anlieger am Kiebitzberg hinzu.
Wer gab den Auftrag für den Bau des Ziegeleibetriebes? Noch im Jahr 1860 ist eine Ziegelei dem Gut Burghof zugeordnet. Eine Ortsangabe liegt nicht vor. Gab es einst eine Produktionsstätte auf dem bereits lokalisierten Flurstück „Teigel(Ziegelei)schlag"? An Weihern, die auf Mergel- bzw. Tongruben hindeuten, fehlt es dort nicht. Belegt ist, daß dem Zieglermeister Haefke zu Putlitz im Jahre 1856 die Genehmigung zum Bau eines Ziegelbrennofens nebst Trockenscheune auf seinem Ackerplan „daselbst (s. En- ders)" erteilt wurde. Hat die Trockenscheune dort einst so ähnlich ausgesehen wie das historische Foto von Bresch zeigt? Die Putlitzer Ziegelei hat kein Lebender mehr in Aktion gesehen. Auch die Anordnung der damaligen Wirtschaftsbauten kann niemand aus dem Augenschein darlegen. Nach der Mitteilung von Lenth war der Bürger Hamann einst Betriebsinhaber (Hamannsplan). Vor einem halben Jahrhundert konnte man sich durch ein Baugeschehen bzw. die Nutzung eines Rohstoffes auf dem Hamannsplan in das Zeitalter der Ziegelei zurückversetzt fühlen. 1945 führte ein Sandweg vom Kie- bitzberg aus, auf der Seite der drei genannten Wohnhäuser von Apfelbäumen und gegenüber von Rotdorn begrenzt, in Richtung Kolbows, vorbei an dem bis zum Schie- nenstrang reichenden kleinen Birkenwäldchen (heute z. T. Grundstück Reske), bis zu zwei unterschiedlich großen flachen Lehmkuhlen. Der Weg gabelte sich, überquerte die Eisenbahnlinie Berge und führte kaum durchquerbar weiter zum damaligen Ebertschen Weg (einst Eigentümer des Grundstücks der Windmühle Rump, später Pusch, heutige Jahnstraße). Der Pfad durch das Birkenwäldchen führte zum „Potsdamer Platz".
Mit dem Bau des ersten Hauses in der heutigen Straße Burghofer Feld begann nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 Zimmerer Wilhelm Lenz. In Nachbarschaft errichteten die Zimmerleute Erich Lenth und Werner Jens und daran angrenzend Maurer Walter Drä- ger - heute Buighofer Straße 7 - ihre Häuser. Zwei von ihnen verdanken ihr Entstehen dem Lehm aus den benachbarten Kuhlen. Durch Eisenstangen miteinander verbundene Bohlen bildeten die Begrenzung für das Einstampfen des Wandlehms. Bei den Baumaßnahmen auf den Grundstücken Lenz und Reske - in Nachbarschaft des Wohnhauses der früheren Ziegelei - sind „Zeugen" der einstigen Produktionsstätte erkannt worden. Auf der gleichen Straßenseite wie Kolbows legte man beim Bau Fundamente und Mauerreste frei, die vielleicht in Verbindung zum Brennofen gebracht werden können. Auf dem Grundstück Lenz sind ebenfalls Felsblöcke und Mauerreste zu Tage „getreten". Sie weisen auf Trockenanlagen (Schuppen, Scheune) der Ziegelei hin. Auch der frühere Brunnen — ein Zeugnis der einstigen Ziegelei - hat noch beim Hausbau 1950 beste Dienste geleistet.
Wolfshagener Schloss Wand und Deckengemälde aus Papier und Leinen
Das Innere des Schlosses wurde mit den für die Zeit seiner Erbauung sehr charakte- ristischen Wand- und Deckenmalereien auf Leinwand oder Papier ausgestattet, die bis nach 1945 erhalten blieben. Das Schloß „enthält einige Zimmer, in denen sich Male- reien mit landschaftlichen und scheinbar körperlich in Ton gemalten Gegenständen (ge- gen 1800), sowie schöne, ältere Möbel befinden." Die Decke des Gartensaals, der im ersten Obergeschoß liegt und dessen vier Fenster einen herrlichen Ausblick auf die Stepenitz gewähren, hatte ursprünglich eine lichtgrüne Farbfassung mit weiß ab- gesetzten, derb wirkenden Stuckelementen (Weinreben und -laub) und einer dunkel- grünen Voute. Die Wände waren mit illusionistischen (Vasenmotive auf gemalten Posta- menten) und figürlichen Wandmalereien (Rundmedaillons sowie szenischen Darstel- lungen an der Längswand, am Kaminspiegel und als Supraporten) im Zopfstil ausge- schmückt, die wahrscheinlich den Kriegstaten Friedrichs des Großen (gest. 1786) gewidmet und stilistisch ganz der Louis-XVI- Ornamentik verhaftet waren, während die Deckenstukkaturen aufgrund ihres eigenwilligen und altertümlich wirkenden Formen- kanons eher noch an Louis XV erinnern.
Die einzelnen Wandfelder und die Supraporten wurden von gemalten Leisten-Ver- zierungen mit antiken Motiven eingefaßt. Die Malerei über dem Kamin zwischen zwei Pilastern und von einer Rundstab-Stuckleiste eingefaßt, zeigte eine Vorleseszene und paßt gut in die Zeit der Begeisterung für Pädagogik und erinnert an ähnliche Darstel- lungen Daniel Chodowieckis. Bedenkt man, daß der Neubau des Schlosses im Todes- jahr Friedrichs des Großen erfolgte, dann darf der Gartensaal mit seiner ursprünglichen Ausmalung wohl als frühes Friedrich-Denkmal angesehen werden. Merkwürdig sind auch die ursprünglich über den Pilasterkapitellen in die Deckenkehlen eingefaßten springenden vollplastischen Pferdchenpaare gewesen. In einem darunterliegenden Zimmer existierte eine Leinwandbespannung mit aufgemalten Rosen- und Ranken- motiven, Mittelornamenten und aufgesetztem Holzleistenwerk, alles mit handge- schmiedeten Nägeln befestigt. Die Wände dahinter blieben unverputzt.
Wie sich durch Freilegungen jetzt herausstellte, enthalten auch die Fensterlaibungen einiger Räume Dekorationsmalerei in frescaler Technik. Von zierlichen Pilastern einge- faßte Nischen mit weißen Kachelöfen und Kamine mit geschwungenen Öffnungen ver- vollständigten die Ausstattung. Die Zimmer haben überwiegend Dielen-, der Gartensaal und einige andere Zimmer Parkettfußböden aus Kiefernholz mit Eichenholzeinfas- sungen.
Der unter dem Gartensaal liegende Eßsaal besaß eine dunkle Leinwandtapete mit Architekturmalerei (Säulen usw.). Die sogenannte „Wasserstube" neben dem Garten- saal zierten Leinwandbespannungen mit Motiven italienischer Landschaften. Die sich östlich an die obere Halle anschließende sogenannte „Prinzenstube" war mit Lein- wandmalereien ausgestattet, auf denen Szenen der Entdeckung Amerikas durch Co- lumbus dargestellt waren. Die Decke dieses Zimmers enthält noch eine (aber nur noch in Resten erhaltene) Malerei, die eine kreisrunde ockerfarbene Rahmung (wohl Lor- beer) mit einer Wolkenmalerei zeigt. Hier enthalten die Fensterlaibungen ebenfalls illusionistische Architekturmalereien.
Auch das darunterliegende Zimmer mit der wunderschönen Kaminpartie und der de- korativen Voutengestaltung (Füllhörner, Blumen u. a.) wies Wand- und Deckenma- lereien auf, die vermutlich noch unter Anstrichen späterer Zeiten verborgen sind.
Zwei Cosins schrieben Eisenbahngeschichte
Das Herz der Putlitz-Suckower Strecke stellte der Putlitzer Bahnhof dar. Eine ver- antwortungsvolle Zuständigkeit lag in den Händen des Putlitzer Bahnhofsvorstehers. Es konnte bereits darauf hingewiesen werden, daß Otto Schulz der erste Eisenbahner in dieser Position war. Bis 1929 oblag ihm die Klärung aller Fragen. Sicherlich gab es in der Anfangsphase der Inbetriebnahme zusätzliche Probleme.
Die Bahnhofsgeschichte in Putlitz und u. a. auch der Suckower Eisenbahnlinie wurde von zwei Cousins - Hermann und Ernst Kahler - verantwortlich mitgestaltet. Sie leiteten jahrzehntelang das Eisenbahngeschehen in diesem Teil der Prignitz, ihnen unterstand die längste Zeit der Putlitzer Bahnhof und damit auch der Zugverkehr auf der Suckower Strecke. Hermann Kähler war von 1929 bis zum Ende des 2. Weltkrieges ununterbro- chen Bahnhofsvorsteher. Der Eisenbahner nahm bereits am Bau der Perleberger Ring- bahn teil. Mit einer kurzen Unterbrechung nach 1945 setzte er seine Arbeit bis in das nächste Jahrzehnt fort. Der langjährige Mitarbeiter des Bahnwesens übergab Ende der 50er Jahre die Dienststellung seinem Cousin. Ernst Kähler nahm 1958 seine Tätigkeit als Bahnhofsvorsteher auf. Vorher war er 10 Jahre als Stellvertreter im Dienst. Zwanzig Jahre oblag ihm als Bahnhofsvorsteher die Klärung aller Fragen, die mit dem Zugver- kehr im Zusammenhang standen. Zu seiner Zeit gehörten die Eisenbahner von Berge und Suckow zu Putlitz und damit mehr als 40 Mitarbeiter. Schon zur Zeit vqn Hermann Kähler war der; Suckower Bahnhof der Putlitzer Dienststelle unterstellt. Es ist bekannt, daß ein gutes Betriebsklima gegeben war, und das spricht für die Dienstvorsteher in Putlitz. Erzählt wird, daß so manche Begebenheit in kleinem Kreis im Interesse aller geregelt wurde. Man bedurfte dazu keiner großen Glocke. Auch dann nicht, als zum Beispiel ein Schienenfahrzeug eine Mauerwand verformte. Es gab Zeiten, da haben zwei große Winden den „Wagen" wieder in die richtige Position gebracht, ohne Berge- zug. Von Mann zu Mann wurde das geregelt, ohne großen Zeitverlust, ohne unbedingte Miteinschaltung von Instanzen. Für das Rollen der Züge auf der Putlitz-Suckower Stre- cke haben viele Eisenbahner ihr Bestes gegeben. Dazu haben die Eisenbahnerinnen in ihren Aufgabenbereichen ebenfalls beigetragen. Sie können nicht alle genannt werden. Vergessen darf man nicht die Streckenläufer und Gleisarbeiter, wie beispiels- weise Walter Lehmann aus Laaske. Viele leisteten ihren Einsatz für die Sicherheit auf den Schienen. Zu ihnen gehörten die Rottenführer Karl Pries aus Nettelbeck und Hein- rich Schoop aus Sagast. Der Dritte in diesem Kreise war der Rottenführer und Stre- ckenmeister Hermann Motte. Von ihnen wird eine nette Sache erzählt. Einer von den genannten Eisenbahnern erhielt aus Amerika zwei Dollar. Das war in der Epoche der Inflation, also in der Zeit, als die Prignitzer mit Wäschekörben voll Geld zum Einkauf gingen. Vor etwa 70 Jahren kostete ein Brötchen 50000 Mark, ein Brot 1,3 Millionen und ein
Kilogramm Schweinefleisch 5 Millionen Mark. Die Hälfte der Dollarsumme behielt die Ehefrau, der Rest stand dem Rottenführer frei zur Verfügung. So setzte man sich dann zu dritt in die Bahnhofsgaststätte, und in der Mitte des Tisches lag der Dollar.
In den zwanziger Jahren handelte es sich damit wahrhaftig um eine fürstliche Summe. Es blieb nicht bei einer Runde. Am nächsten Tag traf man sich wieder, und erneut wurde das „Anschreiben" auf den Dollar fortgesetzt. Es war die Zeit der hohen Geldent- wertung. Man berichtet, daß der Rottenführer und seine zwei Nichteisenbahner am drit- ten Tag in der feuchtfröhlichen Stimmung nicht vergessen haben, zwischenzeitlich in der Bank anzurufen, um den aktuellen Kursstand zu erfahren. Sicherlich haben sich noch weitere Bekannte dieser Runde angeschlossen. Alles nahm ein gutes Ende. Der zu Beginn des dritten Tages noch vorhandene Restbetrag des Dollarschatzes aus den USA wurde voll umgesetzt.